“Am Feld ist Krieg”
Seit zwei Jahren fängt er Pässe für die TU Robots. Im Football, seiner großen Leidenschaft, steht für Philipp Voith besonders das Duell gegen sich selbst im Mittelpunkt. Aber auch Verletzungen, der Griff zum ersehnten Titel, sowie eine gewisse Rivalität lassen ihn nicht kalt…
von Bernd Dorner, 18.11.2023
Wie abgefuckt ist Football?
Football ist ein wahnsinnig cooler Sport, der für viele brutal erscheint, was ich aber ganz anders sehe. Football ist nicht so abgefuckt, wie man zuerst glaubt, wenn man es vielleicht mit Fußball oder Beachvolleyball vergleicht. Es ist zwar eine sehr körperbetonte Sportart, aber das Geile an ihr ist, dass jeder einzelne Schritt jedes einzelnen Spielers völlig durchdacht ist und tausendmal überlegt wurde. Es schaut zwar für Leute, die sich mit diesem Sport nicht auskennen, vielleicht aus wie ein wild gewordener Hühnerhaufen, es ist aber eigentlich das komplette Gegenteil davon.
Beim Football ist Körperkontakt nicht wegzudenken. Wie oft hast du dich schon verletzt?
Ich verletzte mich tatsächlich seltener als viele vielleicht anfangs vermuten würden. Nach jedem Spiel habe ich zwar immer wieder kleinere Wehwehchen, wie blaue Flecken oder Blasen oder so etwas. Verletzungen, die ich wirklich länger als eine Woche spüre, gibt es maximal ein bis zwei Mal pro Saison. Das sind dann so Sachen wie, wenn man richtig blöd umknöchelt, ein Band stark überdehnt, Zerrungen oder Kapselrisse. Diese führen dann dazu, dass ich beim nächsten Training dann halt nicht mehr Vollgas mit der Mannschaft trainieren kann, was mich manchmal echt ankotzt, aber so ist es halt. Sowas trägt halt der Sport generell mit sich mit, dass muss einem schon bewusst sein.
Was waren deine schlimmsten Verletzungen?
Eine der schlimmsten Verletzungen, war am Ringfinger. Ich wollte dabei den Ball fangen und hab mich auch vollkommen auf das Fangen konzentriert. Währenddessen ist mir ein Gegenspieler seitlich dazwischen gesprungen, was ich halt nicht bemerkt habe. Er hat meinen Finger seitlich erwischt, dadurch hat sich das Ganze etwas überdehnt und schwuppdiwupp, steht der Finger komisch weg. Der Finger hat halt echt 90 Grad in eine falsche Richtung geschaut. Die Fingerkapsel war dann natürlich komplett hinüber. Ich bin danach zu unserem Coach gerannt, der mir den Finger wieder eingerenkt hat, aber sowas spürt man dann schon etwas länger. Die andere wirklich längerfristige Verletzung ist schon wieder ein paar Jahre her. Da ging es um eine Absplitterung im Gelenk vom rechten Mittelfinger. Also, wenn man sich ein Knochengelenk vorstellt: Gelenkspfanne oben dann das Gegenstück dazu, von dem einfach mal die Hälfte des Randes abgebrochen ist. Das ist dann echt schmerzhaft. Solche Verletzungen schränken einen dann schon für eine gewisse Zeit ein bisschen ein, was manchmal echt nerven kann. Ich kann von Glück reden, dass bei mir bisher noch keine richtig argen Verletzungen dabei waren. Andere Mitspieler von mir haben sich schon öfter mal das Kreuzband gerissen. Eine besonders empfindliche Position dafür scheint der Running Back (der Ballläufer, Anm.) zu sein. Da haben sich bei uns mal in einer Saison gleich zwei von vier Burschen das Kreuzband gerissen.
Hast du schon einmal das Geräusch eines brechenden Knochens oder Bänderrisses gehört?
Von einem Knochen habe ich das Geräusch noch nicht gehört und ich hoffe das bleibt auch so, denn ich glaube, wenn das einmal der Fall ist, wird es wahrscheinlich mein eigener sein. Das Geräusch selber stelle ich mir jetzt auch nicht unbedingt angenehm vor und hoffe, dass mir das ein Leben lang erspart bleibt. Einen Bänderriss habe ich tatsächlich schon einmal gehört.
Wie hört sich das an?
Das hört sich an wie ein extrem lautes Schnalzen. In einem vollen Stadion hörst du sowas selbstverständlich nicht, so laut ist es auch nicht. Aber am Trainingsfeld, wo dann doch einige Leute herumschreien oder irgendwie anders Lärm machen, ist es trotzdem zu hören, was mir immer wieder ein mulmiges Gefühl gibt.
Du spielst auf der Position des Wide Receivers, also auf Deutsch des Passempfängers. Dadurch rennst du öfter mal mit dem Ball in der Hand und hast sicher schon den ein oder anderen Hit eingesteckt. Wie sehr tut sowas weh?
Gar nicht mal so sehr. Man spürt natürlich einen Einschlag meistens gegen die Hüfte, der nicht unbedingt angenehm ist. Aber grad, wenn man durch effektives Training und viel Übung sich die Angst davor nimmt, weiß man wie man in so einen Tackle hineingeht. Bei mir ist es mittlerweile so, sobald der Hit kommt, spannt sich mein ganzer Körper komplett an, ich habe selber einiges an Wucht drauf und mehr Geschwindigkeit, mehr Velocity und mehr Kraft als früher, mit der ich in diesen Hit hineingehe, was den Schmerz um einiges reduziert. Man muss hier noch erwähnen, dass jeder Footballer eine Art Rüstung am Oberkörper trägt, bestehend aus den so genannten Shoulderpads und natürlich einem Helm, die das Ganze Gott sei Dank auch ein bisschen abfedern.
Warum spielst du trotz all dem noch Football?
Football ist für mich eine unvergleichliche Sportart. Sie ist stark charakterbildend. Du erlernst Dinge, die im Leben unglaublich wertvoll sind. Ich rede von Sachen wie Disziplin oder Teamfähigkeit. Ein Footballteam steht und fällt mit jedem Mann, der am Feld steht. Es gibt im Football verschiedene Systeme und Taktiken, wie man ein Spiel angeht, aber wenn nur einer seinen Job nicht macht, versagt das ganze Team. Mental gesehen ist es zwar einerseits eine extreme Challenge, aber auf der anderen Seite auch eine echt gute Vorbereitung auf alles, was im Spiel noch so kommen könnte. Da spreche ich von kleinen verbalen Beschimpfungen, über Tackles während des Spiels, bis hin zu echten Raufereien, bei der auch gerne mal die Fäuste fliegen. Was ich noch dazu an Football so mag ist, dass es eine Sportart ist, die sehr offen tolerant ist. Es ist völlig irrelevant, ob du zum Beispiel groß und breit gebaut, oder eher der kleine, schmächtige, aber flinke Kerl bist. Auch unterschiedliche Mindsets sind für das Spiel extrem wichtig. Menschen, die blitzschnell etwas analysieren können, sind genauso wertvoll für das Team wie Sturköpfe, die einfach in eine Wand rennen wollen. Das mag im ersten Moment etwas absurd klingen, es ist aber sogar so, dass ein Team Spieler von jedem Körpertypen und Mindset braucht, die auf hohem Niveau performen, um echt erfolgreich zu sein. Und das ist das Schöne an diesem Sport, dass trotz all den Unterschieden am Ende jeder gebraucht wird und alle für ein gemeinsames Ziel arbeiten.
Hast du persönlich schonmal einen Streit am Feld gesehen oder mitgewirkt?
Mitgewirkt nicht, aber gesehen auf jeden Fall. Da gab es schon einiges, was ich erlebt habe. Es sind meistens Unsportlichkeiten, die viele Spieler zur Weißglut treiben oder zu hitzigen Diskussionen führen. Football ist eine sehr körperbetonte Sportart. Das führt dann dazu, dass es Spielern, die etwas „unfairer“ spielen, vereinfacht ihr nicht immer regelkonformes Spiel durchzuziehen. Es kann passieren, dass einem „nette“ Worte entgegengerufen werden. Andere Spieler springen einem absichtlich mit dem Knie voran in den Bauch. Footballspieler sind Menschen mit Emotionen, bei diesen Szenarien kann auch mal das Blut anfangen zu kochen.
Und wie gehst du dem Ganzen aus dem Weg?
Für mich persönlich liegt der Fokus voll und ganz auf meinem eigenen Spiel. Es steht mir zwar ein Spieler von dem Gegner gegenüber, den ich irgendwie auszutricksen versuche, aber am Ende bin ich immer selbst mein größter Gegenspieler. Ich spiele gegen meinen Kopf, ich spiele gegen meine Mentalität. Ich gegen mich. So lautet das größte Duell meines Spiels und meines Lebens. Ich bin mein bester Freund und gleichzeitig mein größter Feind. Ich konzentriere mich primär auf das Duell gegen mich und lasse das andere mit den besten Fähigkeiten, die ich aus mir rausholen kann, einfach laufen. Ich versuche gezielte Provokationen des Gegenspielers als Motivation zu nutzen, um ihn dann blöd dastehen zu lassen.
Und gab es schon Situationen, wo du gedacht hast „Dir hau ich jetzt eine rein“?
Also, diese Momente gibt es sehr, sehr oft. Gott sei Dank habe ich mich bisher immer zurückhalten können und habe daher diesen Gedanken nie in die Realität umgesetzt. Meine Reaktionen bzw. Antworten auf Provokationen habe ich immer im Rahmen des Regelwerks halten können. Es ist ein tolles Gefühl, wenn ich diesen Spieler, der mich provoziert hat, im nächsten Spielzug blocken darf. Je mehr ich provoziert wurde, umso intensiver ist der anstehende Block ausgefallen. Aber generell solche Situationen, wo die Emotionen fast am Überkochen sind, hat es in diesem Sport immer mal wieder gegeben und wird es auch weiterhin geben. Allerdings bin ich der Meinung, dass Streits am Footballfeld nie eine Lösung bringen werden, da sie schon etwas kindisch sind.
Emotionen haben auch viel mit Rivalitäten zu tun. Wie fühlt sich denn so ein Spiel gegen die WU Tigers an?
Die WU Tigers sind unsere Erzrivalen. Abseits vom Feld hat die WU auch echt nette Spieler dabei, das sind teilweise wirklich korrekte Jungs. Aber am Feld ist Krieg, Punkt. Am Feld geht’s nur um Sieg oder Niederlage. Nicht mehr, nicht weniger. Das macht diese Spiele besonders. Diese Rivalität kann man in Wien, wenn überhaupt nur mit der zwischen Rapid und der Wiener Austria vergleichen. Für uns als TU Robots ist ein Sieg und eine gute Leistung zu zeigen immer das Ziel. Gegen die WU Tigers zählt nur der Sieg. Egal ob schön erspielt, oder irgendwie die Zeit runter laufen lassen. Die Hauptsache ist, dass wir gewinnen und uns somit die Vorherrschaft in diesem Duell holen. Die Rivalität zwischen den beiden Universitäten ist einzigartig, weil es diese auch im Basketball, aber auch abseits der Sportarten gibt.
Ihr habt 2022 den Summer Bowl gegen die Uni Wien Emperors verloren. Was ist nach dem Spielende in dir vorgegangen?
Viele Emotionen haben mich übermannt. Ich kann mich erinnern, wie ich fast weinend zu einem Mitspieler gelaufen bin. Es ist einfach eine unfassbare Enttäuschung, wenn du vor 6000 Fans stehst und das Ding nicht nach Hause holst. Es waren dumme Fehler, die ich bzw. wir gemacht haben. Das Wertvolle an dieser Niederlage ist, dass wir viele Lehren ziehen konnten. Wir werden stärker zurückkommen und uns dieses Jahr die Krone des österreichischen Footballs aufsetzen.
Was meinst du mit „dumme Fehler“?
Es sind uns einige Kommunikationsfehler unterlaufen. Wir haben Trickplays trainiert, die dann nicht gut funktioniert haben. Wir konnten wenig saubere Tackles liefern. Es wurden viele Spielzüge nicht präzise ausgeführt. Es war beschissen, aber es wird nicht wieder vorkommen.
Wer wird dieses Jahr die härteste Nuss sein, die es zu knacken gilt?
Es haben sich alle Teams massiv weiterentwickelt. In den letzten Jahren waren die Uni Wien Emperors und die WU Tigers unsere stärksten Gegner. Dieses Jahr sind neue Teams dazugekommen, die noch schwer einzuschätzen sind. Heuer wird es sicher wieder einige spannende Spiele geben. Anfang Juni, also im Halbfinale, werden wir dann alle mehr erfahren. Es ist aber davon auszugehen, dass die WU Tigers und die Uni Wien Emperors gemeinsam mit uns zumindest mal im Halbfinale stehen werden.
Wem würdest du Football ans Herz legen?
Football ist eine Sportart, in der wahnsinnig viel Emotion drinnen ist. Es ist charakterbildend und leidenschaftlich geführt. Vor allem lernt man seine physischen und psychischen Grenzen kennen. Football ist eine Sportart für jeden Körpertypen von Groß und breit bis klein und schmächtig. Auch jedes Mindset ist von großer Bedeutung. Es werden intelligente Spieler benötigt, die Situationen in Windeseile analysieren können. Es werden aber auch Spieler benötigt, die anstatt Sachen zu analysieren lieber mit dem Kopf durch die Wand rennen wollen, im wahrsten Sinne des Wortes. Football steht für Offenheit. Football ist für alle.
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