© Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

#spitzenschuhe

Pirouetten im Kopf

Ein Text von Sophie Rückenbaum

Dauer: 9 min.

Gaia Fredianelli ist 20 Jahre alt und hat ihre Ausbildung an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper abgeschlossen. Mittlerweile ist sie Staatstänzerin und wurde als Halbsolistin ernannt. So darf sie gelegentlich kleine Solorollen oder größere Nebenrollen tanzen – obwohl sie noch so jung ist. Wie herausfordernd ihr Job nicht nur für ihren Körper – sondern auch für ihre Psyche ist, erklärt sie in dem Interview.

Du kommst gerade vom Training. Was macht ein gutes Training aus für dich?

 

Ein gutes Training muss mich erstens gut aufwärmen für den Tag. Das heißt ich muss meine Muskeln gut aufwärmen und meine Balance finden und das hilft dann bei den Proben das Beste zu geben und wirklich 100% dabei zu sein.

 

Was macht dir besonders Spaß am Tanzen?

 

Auf der Bühne zu sein – es ist ein unglaubliches Gefühl. Einfach eine Geschichte darzustellen und einfach dieses Gefühl zu haben in einer Geschichte zu sein.

 

Was bedeutet Ballett für dich?

 

Ballett ist für mich eine universelle Sprache, die Gefühle weiterleiten kann durch Bewegung, durch Handlungen – selbst wenn man aus verschiedenen Ländern kommt ist man irgendwie vereint in einer einzigen Sprache – die Bewegung. Für mich ist es auch der Energieaustausch – einfach der Austausch zwischen Publikum und Tänzer oder zwischen den Künstlern. Es ist schon etwas spezielles.

 

Du hast ja sehr früh angefangen zu tanzen. Hast du erste Erinnerungen wie das war als du zum Ersten Mal in den Ballettsaal hineingegangen bist?

 

Ich habe Erinnerungen von mir wie ich sehr klein war und meine Mama hat Schülerinnen auf einen Wettbewerb gebracht. Ich war noch zu klein, um auf einen Wettbewerb teilzunehmen und ich habe einfach überall getanzt. Ich habe an dem Tag nichts gesessen ich habe einfach nur getanzt, getanzt, getanzt. Ich habe auch nie an etwas anderes gedacht. Meine Eltern haben mich versucht auf die Ski zu bringen oder zu schwimmen, aber ich bin immer wieder zurück zum Ballett gegangen. Es war keine Frage für mich.

 

Du hast ja erzählt, dass du relativ viel Zeit in der Schulzeit mit Ballett verbracht hast eben mit normaler Schule und Ballettschule. Hast du das Gefühl, dass du in deiner Jugend oder Kindheit mal was verpasst hast?

 

Nein, eigentlich nicht. Ich war in einem Internat also habe ich praktisch 24 Stunden mit Kollegen von mir gelebt und gewohnt. Wir hatten unsere kleine Gemeinschaft. Wir haben eigentlich alles gemacht was Teenagers machen nur halt in unserer kleinen Welt – in der Internatsgemeinschaft. Also ich vermisse nichts von meiner Jugend.

 

Gab es einen Moment in deinem Leben, wo dir bewusst geworden ist, dass du das Tanzen jetzt zu deinem Beruf gemacht hast?

 

Als ich den Vertrag hier im Staatsballett unterschrieben habe. Da ist es mir bewusst geworden, okay das ist jetzt mein Beruf. Aber das würde ich gar nicht als mein Beruf nennen, weil das ist meine Leidenschaft. Es war zuerst zwar immer nur ein Traum und jetzt bin ich im Traum.

 

Gab es einen Punkt in deiner Ballett-Karriere, wo du alles hinschmeißen wolltest, und dachtest jetzt geht es nicht mehr?

 

In der 8. Klasse in der Ballettschule hatten wir eine extrem strenge Lehrerin und da dachte ich wirklich jetzt höre ich auf – ich kann nicht mehr.  Wenn man dann weiterpusht und wenn man weitermachen kann, dann wird man viel stärker und viel besser. Das gehört auch zum Training eines Balletttänzers. Man muss mental extrem stark sein.
Es gab trotzdem viele Zeiten, wo ich geweint habe. Ich finde es ist auch wichtig diese Gefühle zu verbalisieren, um sie nicht innerlich zu halten.

 

Gab es Momente, an denen du deinen Körper so an deine Grenze gebracht hast, dass du das Gefühl hattest, dass es nicht mehr geht?

 

Ja schon, vor allem bei intensiven Vorstellungsperioden. Wir proben da an einem Tag drei verschiedene Stücke und am Abend haben wir die Vorstellung. Da war ich schon an meiner Grenze, dass ich mir dachte okay, da muss ich jetzt aufpassen. In diesen Momenten denk ich mir oft, dass ich meinen Körper schützen muss. Beim Training muss ich die richtigen Sachen machen   Nicht extra dreimal eine Kombination machen – nein lieber einmal gut, dass mein Körper gut aufgewärmt ist. Man muss sehr aufpassen sonst könnten eben Verletzungen kommen.

 

Hattest du schon mal Verletzungen?

 

Ich hatte als ich in der Ballettschule war ein Problem mit meinen Waden. Sie waren extrem verkrampft, so dass ich bei den Sprüngen meine Füße nicht mehr spüren konnte. Da hatte ich schon Angst, dass es etwas Schlimmeres war. Jede Therapie, die ich probiert habe war nicht erfolgreich – es ist einfach diese Angst, dass vielleicht mein Körper irgendwann nicht mehr fähig ist diesen Druck zu halten – das war schon heftig.  Ich muss sagen, dass ist auch einer meiner größten Ängste in der Ballettwelt verletzt zu sein. Dabei habe ich nicht wirklich Angst vor der Verletzung sondern Angst, dass ich nicht mehr Tanzen kann. Niemand spricht gerne darüber – wir versuchen das immer auf die Seite zu schieben aber ja leider passierts und wir können nichts dafür, leider gehört es dazu weil wir arbeiten einfach mit unserem Körper.

 

Welche körperlichen Herausforderungen erlebst du als Balletttänzerin?

 

Wir arbeiten so viel mit unseren Muskeln, dass wir sehr oft Muskelkater haben oder es gehört dazu, dass manche Verletzungen vorkommen. Wir verlangen sehr viel von unserem Körper und ich glaube wir sind schon sehr gewöhnt mit diesen Schmerzen zu arbeiten. Man muss aber differenzieren   Sind es Muskelkaterschmerzen oder Verletzungsschmerzen? Mit Muskelkater kann man weiterarbeiten oder mit Fußblasen. Mit Verletzungsschmerzen ist das was anderes.

 

© Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Hast du manchmal Selbstzweifel?

Ja auf jeden Fall. Dass ich etwas nicht schaffen kann. Vor allem wenn es zum Beispiel um etwas geht, was ich noch nie gemacht habe. Dass ich nicht gut genug bin für das Ballett oder diese Rolle. Ich muss mir immer einreden   “Es ist etwas Neues, es ist verständlich, dass du zweifelst aber du hast auch vieles andere geschafft also bist du gut vorbereitet und es braucht nur Zeit.” Also ich muss mir oft bewusst Zeit geben.

Was würdest du sagen, was sind die größten Herausforderungen in deinem Job?

Ich glaube die körperliche Müdigkeit und die mentale Müdigkeit. Manchmal lernen wir sehr sehr viele Schritte auf einmal und wir müssen sie uns alle merken und es ist nicht nur der Schritt, sondern auch die Koordination dahinter. Das ist glaube ich echt die größte Herausforderung. Diese Müdigkeit zu überwinden und am Tag danach wieder dasselbe zu machen. Egal ob am Abend davor eine Vorstellung war und man todmüde ist. Am Tag danach kommt man trotzdem in den Saal man trainiert weiter. 

Wie geht es dir mental in dem Beruf?

Jetzt würde ich sagen ich habe ein bisschen mehr Erfahrung und kann ich mir manche Sachen ein bisschen besser einreden. Aber ich arbeite noch sehr viel daran. Vor allem an den Selbstzweifeln. Ich glaube aber es ist ein Work in Progress für jeden. Und wenn es zum Bespiel Zeiten gibt, wo ich sehr mental belastet bin, dann rede ich immer gerne mit meinen Eltern, denn sie unterstützen mich sehr.  Man hört nicht auf neue Sachen zu lernen oder neue Methoden, um ein bisschen ruhiger zu sein oder diese negativen Gefühle oder negativen Gedanken wegzuschieben. Auf der Bühne muss man einfach cool sein, sonst könnte alles passieren.

Spürst du Konkurrenzdruck?

Ich habe nie wirklich auf Konkurrenz geachtet. Ich habe immer mein Training gemacht. Ich habe für mich gearbeitet. Ich habe nicht auf die anderen, sondern auf mich geschaut. Ich glaube das hat mir geholfen nicht in negative Gedanken zu kommen. Viele Beziehungen können auch so ruiniert werden und das wollt ich nicht. Ich wollte das meine Arbeit für mich spricht und nicht für die Konkurrenz.

Ist das noch so ein Ding, dass noch sehr auf Maße geachtet wird bei Balletttänzerinnen?

Ballett – speziell klassisches Ballett – hat eine gewisse Ästhetik und man muss schon eine gewisse Figur haben. Aber wenn jemand sagt, dass Balletttänzerinnen nicht essen ist das komplett falsch, denn wenn wir nicht essen würden dann würde es noch mehr Verletzungen geben und wir hätten auch nicht die Kraft zum Tanzen. Unsere Ballette sind extrem schwer für die Kondition und für die Muskeln und wir brauchen einfach die richtige Ernährung.

Was ist da die richtige Ernährung für Ballerinas?

Erstens ein gutes Frühstück – ich esse gerne Porridge mit Joghurt und Fürchten und ein Brot mit Käse. Nach dem Training esse ich gerne eine Energy Bar, damit ich Kraft für die Proben habe. Mittagessen ist immer eine heikle Sache, weil wir haben 40 Minuten Pause   Das ist zu wenig um ein richtiges Essen zu essen – ich esse dann immer ein Sandwich oder was kleines aber am Abend esse ich ein richtiges Abendessen. Und viel Trinken Wasser mit mineralischen Salzstoffen und Zusatzstoffe aus der chinesischen Medizin. Viel Protein, Kohlenhydrate und Zucker vor der Vorstellung sind auch sehr wichtig.

Was machst du unmittelbar nach einer Aufführung, wenn du von der Bühne gehst?

Kopf putzen, Haare weg und abschminken. Verschwitzt mit Schminke ist schrecklich, ich muss da meine Haut irgendwie befreien. Nein falsch, zuerst Spitzenschuhe ausziehen und dann Schminke – zuerst Füße befreien und dann Gesicht befreien.

 

© Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Hast du Angst vorm Älter werden?

 

Eigentlich habe ich keine Angst vorm Älter werden.  Es bedeutet für mich mehr Erfahrung zu haben. Man kann dadurch auch Rollen in einer anderen Art interpretieren – mit einer gewissen Reife.

 

Über welches Kompliment freust du dich am meisten?

 

Wenn mir jemand sagt, dass wenn ich tanze, dass alles leicht aussieht.  Das ist genau der Punkt. Wir tanzen und es muss alles leicht ausschauen. 

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