Humor und dessen Tücken

Durch die Augen eines Moderators & Rezitators – Rudolf Hausmann

Maximilian Klawonn

Prolog

Bei einer kleinen Opernveranstaltung von Wiener Musikstudierenden im “Redtenbach” sticht eine Person auf der Bühne heraus. Er singt keine Arien, sondern unterhält das Publikum mit witziginformativen Moderationen zwischen den musikalischen Beiträgen. Diese hängen ihnen an den Lippen, können sich das Lachen nicht verkneifen.

Als der rote Vorhang zugezogen wird, gehe ich auf ihn zu und frage Rudolf Hausmann nach einem Interview. Er ist gleich dabei, muss nur noch kurz drei Leuten Hallo sagen. Wir setzen uns bei nur schwach gedämpften Afterparty-Geräuschen neben den Flügel hinter besagten Vorhang.

Dabei hat sich folgendes Gespräch zugetragen:

Erster Akt – Kontakt

Max
Max

Max: Ich wusste gar nicht, ob ich dich ansprechen soll, da du jetzt sicher gestresst bist?

Der Stress war vorher (lacht)

Max
Max

Ich darf dich Rudi nennen?

Ja, der Kurzname von Rudolf. Ist selten geworden, der ist mit meiner Generation ausgestorben.

Rudi
Rudi
Max
Max

Wie bezeichnet man deine Tätigkeit?

Also ich selbst nenne mich Moderator und Rezitator. Aber ich bin auch Hörbucheinsprecher!

Rudi
Rudi
Max
Max

Wie bist du denn dazu gekommen, solche Veranstaltungen zu moderieren?

Na das ist quasi zum Beruf geworden. Bis vor zwei Jahren war ich Optiker, also der Brotberuf. Parallel dazu mache ich schon seit 25 Jahren solche Sachen.

Rudi
Rudi
Max
Max

Eine tatsächliche Leidenschaft!

Genau, das ist eine volle Passion!

Rudi
Rudi
Max
Max

Das finde ich schön. Besonders hat mich an deinem Auftritt der Humor interessiert. Das ist ja ein ganz besonderer Humor, der ein besonderes Publikum anspricht.

Ganz genau.

Rudi
Rudi
Max
Max

Was ist dafür wichtig? Wie sieht dein Prozess aus?

Das wichtigste hast du vorweggenommen: Es ist auf das Publikum zugeschnitten. In einem touristischen Betrieb oder einem Heurigen kann man soetwas nicht machen. Wiederum, Dinge in Wiener Mundart, die ich dort machen würde, passen hier nicht herein.
Mein Vorteil ist, dass ich über eine Bandbreite verfüge, wie du heute auch erlebt hast. Auf der einen Seite kann ich trockenen Humor auf Bühnendeutsch, als auch ganz tiefe Dialektsachen rüberbringen.

Rudi
Rudi
Max
Max

Also dein Geheimrezept ist eine große Bandbreite?

Das könnte man so sagen. Auch weil ich eine wandelbare Stimme habe. Wenn ich jetzt ein Sachbuch einspreche, muss ich eben sachlich und nüchtern bleiben und darf nichts hineininterpretieren. Es sollte realbezogen bleiben und ich darf keine Stimmung reinbringen, wo ich zum Beispiel das Thema negativ besetze.
Und dann eben der Kontrast zwischen tiefem Dialekt, wie Arbeiter auf der Straße reden, so wie ich aufgewachsen bin und das Bühnendeutsch mit dem geschliffenen T und so weiter. Das habe ich mir antrainiert.

Rudi
Rudi

Zweiter Akt – Humor

Max
Max

Humor kann ja auch nicht funktionieren. Wann passiert das?

Man darf nicht den Fehler machen zu denken das, was man Zuhause vorbereitet und lustig findet, später dann auch beim Publikum ankommt. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass die Leute in der ersten Hälfte eher verhalten gelacht haben, was dem verschuldet ist, dass die Oper ein ernstes Fach ist und das Publikum erst mal nicht so sehr aus sich heraus kommt. Im zweiten Teil wurden es dann immer mehr Lacher. Davon darf man sich aber nicht rausbringen lassen. Man muss professionell bleiben, einfach sein Ding durchziehen und wenn am Ende niemand lacht, dann ist das auch okay. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass sagen wir mal ein situiertes Publikum, dass nur zuhört und genießt, keine Pointe verpasst aber nicht viel Reaktion zeigt, ganz zum Schluss erst ins Lachen verfällt.

Rudi
Rudi
Max
Max

Mir ist gar nicht aufgefallen, dass am Anfang wenig gelacht wurde. Aber zum Schluss war es auf jeden Fall am heitersten!

Ja es sind mehr geworden. Zu Beginn war es etwas zäh für mich und da laufen dann in einer Gehirnhälfte eben Unsicherheiten ab und die muss man in den Griff bekommen, um weiterzumachen und sich zu steigern. In der zweiten Hälfte ist dann fast jede Pointe aufgegangen!

Rudi
Rudi
Max
Max

Was gehört noch zur erwähnten Professionalität dazu?

Ich denke ganz einfach der Unterschied zwischen privatem und Publikums- Humor. Ich kann jetzt natürlich einen Joke erzählen, über den du lachst, aber der hat da draußen nichts verloren, denn ich muss in dem Fall fünfzig Leute abholen.

Rudi
Rudi
Max
Max

Kann man Humor lernen oder bist du einfach eine lustige Person?

Ich denke schon, denn ich bin von Grund auf positiv, blödel halt gerne herum. In jedem Fall kann man lernen, ihn auf der Bühne gut rüberzubringen. Aber ich denke man muss schon eine gewisse Ader dafür besitzen. Ich habe dennoch viele Komödianten kennengelernt, die zwar die Leute im Theater oder in der Oper zum Lachen gebracht haben, aber im Privaten sehr ernsthafte Menschen sind. Ich habe den Vorteil, dass ich auch privat schräg bin, sehr zum Leidwesen meiner Frau, aber die kann mich schon handeln.
Naja manchmal ist es ihr zu viel, vor Allem wenn sie noch schläfrig ist und ich fange in der Früh an (lacht).

Max
Max

Woher kommt dieser Kontrast von lustigem Bühnenmenschen und ernster Privatperson, den du oft gesehen hast?

Ich denke, das ist eine Schutzfunktion. Also ich kanns jetzt nur von Wien sagen, aber hier kennt man sich eben und die Bühnengrößen werden von der Stadt immer eingenommen. Und wenn du dann hier in der Stadt herumgehst und alle erwarten, dass du sie belustigt, das wird schnell ermüdend.

Rudi
Rudi
Max
Max

Würdest du also sagen es liegt an Wien?

Ich kann nur über Wien sprechen, ich bin ein Urwiener und es ist eigentlich schon immer in Wien manifestiert, dass viele Künstler fast das Eigentum von Wien werden. Wie sagt man: Wien hat zwei Millionen Operndirektoren, das heißt, dass halt jeder mitreden will. Gott sei dank ist das schon weniger geworden!

Rudi
Rudi
Max
Max

Dann würde ich mal auf den Wiener Schmäh kommen! Könntest du mir das bitte erklären?

Der Wiener Schmäh kommt immer aus Alltagssituationen heraus. Manchmal ist er sehr böse und sarkastisch, fast schon wie britischer Humor, oft sogar brutal könnte man sagen. Das Eigenartige ist, dass er dabei sehr charmant ist. Während ich als Optiker gearbeitet habe, musste ich oft mit deutschen Firmen telefonieren und da waren oft Damen am Telefon die haben gesagt: Bitte reden sie weiter, ihre charmante Sprache ist wie Honig und ich höre ja den ganzen Tag nur so Staccato-Sachen. So könnte ich das ein bisschen frech für dich erklären. Man kann das eben auch nicht lernen, das ist eben eine Geburtssache, wie halt ein Schotte vielleicht erst bei -30 Grad etwas anzieht, weil der einfach andere Kälte gewohnt ist zum Beispiel.

Rudi
Rudi
Max
Max

So ein bisschen wie ein besonderer Charakterzug?

Ja, aber es stirbt halt ein bisserl aus, weil die Welt viel nüchterner geworden ist.

Rudi
Rudi

Dritter Akt – Tücken

Das ist wie wenn du deinen Körper fit hältst!

Max
Max

In heutigen Zeiten ist Humor ja auch wieder ein wichtiges Thema, weil es Sachen gibt, über die man nicht lachen darf. Ist das eine neue Entwicklung oder gab es das immer schon?

Ja, Gott sei Dank wird man darauf aufmerksam gemacht, was eigentlich nicht politisch korrekt ist. Man darf sich dabei natürlich nicht so ein enges Korsett anziehen, dass man gar nichts mehr macht. Aber in meiner Kindheit war es zum Beispiel Gang und Gäbe, dass wir das N-Wort benutzen. Das war bei uns auch gar nicht negativ behaftet und wir haben alle natürlich nicht gewusst, dass es von dem Schimpfwort kam. Wir haben zwar schon von den Filmen von dem “Nigger” gehört, aber dass das Wort “Neger” diese Menschen trifft, haben wir ehrlich gesagt nicht gewusst. Da gibts ja so Redewendungen wie “I bin Neger” , hat der Wiener gesagt wenn er kein Geld hatte. Heute würde man das natürlich nicht mehr sagen sondern einfach “ich bin blank” oder “ich hab kein Geld”. In meiner Elterngeneration war das auch ganz normal und es war einfach die Zuschreibung für eine dunklere Hautfarbe.

Rudi
Rudi
Max
Max

Das war in meiner Jugend tatsächlich gar nicht unähnlich, dass uns das nicht besonders bewusst war. Ich werfe mal eine These in den Raum: Um sich über ein Thema lustig zu machen, muss man es in irgendeiner Form auch durchdringen und wenn man sich zum Beispiel nicht mehr auf so eine Weise über Rassismus lustig machen kann, verbietet das teilweise eine Debatte und richtet Schaden an.

Nein, das finde ich auch nicht gut, es sollte eine Debatte geben. Zum Beispiel dieses Thema mit den Denkmälern explizit das Lueger Denkmal. Lueger war ja Bürgermeister in Wien, der sozusagen den Rassismus salonfähig gemacht hat, aber deshalb das Denkmal abzureißen finde ich ambivalent. Wenn man die Jugend lieber aufklärt, mit Fotowänden rundherum, fände ich das fast gescheiter, als wenn es einfach verschwindet. Man kann Geschichte halt nicht ungeschehen machen, aber man kann sie beleuchten und zeigen was der gemacht hat und dafür dennoch immer glorifiziert wird.

Rudi
Rudi
Max
Max

Da kommen wir glaube ein wenig vom Thema ab, aber Danke für den Einblick! Andere Frage: Warum ist Humor wichtig?

Das ist wie wenn du deinen Körper fit hältst. Es ist halt etwas Positives, für einen selber und die Menschen, die einen umgeben. Wenn jemand jetzt gar keinen Humor hat sagt der Wiener: “Der geht zum Lachen in den Keller” und das sind im Prinzip bedauernswerte Leute. Humor kann aber auch eine Waffe sein. Man kann damit wie Nestroy auf Missstände hinweisen und sich auch über Leute lustig machen, ohne dass sie’s mitkriegen. Beziehungsweise wenn man dann in einem absoluten Regime verhört wird und etwas dagegen sagt, kanns einem niemand nachweisen, wenn man es geschickt anstellt.

Rudi
Rudi
Max
Max

Sollte denn jeder Mensch Humor besitzen?

Ich denke schon und ihn dann benutzen im Alltag benutzen wenn demjenigen danach ist. Mir tun humorlose Menschen leid, denen geht irgendeine Essenz ab, habe ich das Gefühl.

Rudi
Rudi
Max
Max

Und in welchen Fällen ist Humor nicht angebracht?

Wenn es nicht der richtige Rahmen oder die richtige Situation ist. Vor allem wenn man einer Person gegenübersitzt, die man damit verletzt. Im öffentlichen Raum geht das schon, die Politiker oder Ähnliches, müssen das halt einstecken können! Aber wenn man sich im privaten Rahmen befindet und dann nicht mal ein bisschen charmant oder spitzbübig ist, dann finde ich’s nicht korrekt.

Rudi
Rudi

Letzter Akt – Anmerkung

Dieses Interview war als Spontaninterview konzipiert und soll im besten Fall auch motivieren, mehr Gespräche mit Fremden anzufangen. Eventuell sind diese danach ja keine Fremden mehr!

Der “Vorwand” des Journalismus hängt natürlich als Damoklesschwert, über diesem Gespräch. Aber “Host a tschick?” funktioniert auch gut!