To build a character

Photograph by Heidi Pein

Durch die Augen von Kostüm- und Bühnenbildner Diego Rojas

Marlene Pichelmayer

Costume-, Set- und Stage-Designer Diego Andrés Rojas Ortiz ist in Chile geboren und aufgewachsen. Seit mittlerweile 10 Jahren lebt er in Wien und hat nach seinem Studium an der Universität für Angewandte Kunst bereits an diversen nationalen und internationalen Projekten mitgewirkt.  In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit verschiedenen Materialien und ihrer Interaktion mit dem menschlichen Körper. Inspiration findet er vor allem in der Natur und überträgt seine Beobachtungen auf seine Designs und Projekte.

(Titelbild von Heidi Pein)

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Mit 180 in die Kurve und rauf in den Modehimmel

Photography: all rights reserved © Philip Tsetinis

2017 gegründet, verbindet das österreichische Label PUBLISHED BY futuristisches Design mit recyclebaren Materialien und High Fashion. Im Zeitalter der schnellen Mode und unzähliger Jungdesigner, hat es PUBLISHED BY dennoch geschafft, eine Ästhetik zu kreieren, die einem das Gefühl von völliger Originalität gibt. Ich besuche Christoph Tsetinis – den kreativen Kopf hinter der Marke – in seinem lichtdurchfluteten Atelier auf der Linken Wienzeile. Die geräumige Altbauwohnung ist hier und da mit dezenten Designelementen geschmückt. Er erzählt mir über seinen Werdegang und schildert die Entstehung seiner Modestücke.

Metallene Elemente gehen eine Symbiose mit Textilien ein und vermitteln eine innovative Perspektive auf Mode, sowie auf deren Verarbeitung. Die technischen Stilmittel, die durch unbekannte Formen, Materialien und Verfahren entstehen, entführen in neue modische Sphären. PUBLISHED BY taucht in futuristische Dimensionen ein und präsentiert einen beispiellosen Verbund von Technik und Kleidung.

Designer – Christoph Tsetinis

Die Designs von Christoph Tsetinis sind wohl so ungewöhnlich wie sein Werdegang als Modedesigner. Anfangs übte er sein handwerkliches Geschick als Tischler und Sägewerkstechniker aus. Mit seinem Taschen- und Accessoires-Label PUBLISHED BY vereint er nun durch modernste Technik futuristisches Design mit Formen, inspiriert von der Natur und dem Tierreich. Das Ergebnis sind Taschen und Accessoires, die einen wahren Blickfang abgeben. Manche Designs erinnern sogar an Skulpturen, die man in einem Museum für moderne Kunst auffinden könnte.

Seit wann weißt du, dass dein Lebensweg dich an diesen Tisch, an dem wir gerade sitzen, führen wird?

Die Vision, dass ich Mode designen will, hatte ich mit 12 oder 13. Mode war irgendwie etwas, was ich gar nicht verstanden habe, deshalb hat es mich so fasziniert. Irgendwann im Italien-Urlaub habe ich angefangen, Modefiguren zu zeichnen. Damit hat alles angefangen. Aber dass ich da bin, wo ich jetzt bin, hätte ich mir vor einem Jahr ehrlich gesagt noch nicht gedacht (lacht). Ich wusste natürlich schon, wo die Reise hingeht, aber da ich eher abergläubisch bin, habe ich’s mir nie genau vorgestellt. Ich klopfe auf Holz und denke mir immer: „Mal schauen!“.

Was war dein erster Job in der Modebranche?

Mein erster Job war nicht wirklich ein Job… ich habe ganz früh für meinen Onkel im Urlaub Taschen und Hemden gezeichnet. Der hatte damals auch ein Taschenlabel. Mein erster Kontakt mit Mode war also durch Zeichnen und Entwerfen.

Was war der Moment wo du gefesselt von diesem Metier warst?

Da habe ich bei einem Grafiker gearbeitet, für den ich meine ersten T-Shirts entworfen habe. Ich weiß noch wie ich mir dachte, mit 14 werde ich reich (lacht). Bin ich natürlich nicht geworden. Aber das war der Punkt, wo mir klargeworden ist: „Yess, das ist mein Ding, das will ich machen!”.

Was waren bzw. sind die größten Inspirationen für deine Designs?

Ich glaube, dass die Menschen, die einen umgeben, immer neuen Input liefern können. Das kann zum Beispiel mein Bruder sein, der mir ein cooles Foto schickt. Ganz oft sind es auch Reisen. Früher habe ich das nicht so oft gemacht, aber meine Freundin hat mich mit dem Reisefieber angesteckt. Ich dachte immer, das haltet mich vom Arbeiten ab, bis ich dann draufgekommen bin, dass das überhaupt nicht stimmt. Beim Reisen komme ich auf die besten Ideen.

Ich muss sagen, die meiste Inspiration beziehe ich von der Natur. Ich sage immer: “Wenn du fladerst, flader nicht von einem Designer, das ist komplett sinnlos. Flader dir das Farbkonzept eines Pelikanes!”. Die Natur erschafft finde ich immer vollkommene visuelle Erscheinungen. Ich habe zum Beispiel noch nie einen Vogel gesehen, der scheiße ausschaut (beide lachen). In der Natur gibt es einfach fast nur visuelle Konzepte, die perfekt sind.

Ich war zum Beispiel letztens Tauchen und habe Muscheln gesehen, die auf und zu gehen. Das hat mich sehr inspiriert. Ich versuche das dann aufzuarbeiten und dem Konzept einen Twist zu verleihen. Dann überlege ich mir, wie ich die Technologie mit einbringen kann. Ich finde, bei der Mischung von Naturbionik und Technologie kommt etwas Einzigartiges heraus.

Da möchte ich gerne gleich andocken. Wie arbeitest du diese Inspirationen weiter auf?

Wie schon gesagt sprechen mich oft bestimmte Objekte an, entweder aufgrund von Ihrer Oberfläche oder ich finde die Form interessant. Meistens nehme ich mir dann diese Sachen und lege sie alle vor mich auf den Tisch. Danach denke ich ganz viel nach. Meistens passiert instinktiv etwas. Dieser pure Kreativprozess wirkt für Außenstehende vermutlich völlig bescheuert. Ich sitze dann nämlich teilweise 18 Stunden allein im Atelier. Aus der Müdigkeit kommen bei mir auch die besten Ideen. Umso müder ich bin, umso mehr drifte ich ab und komme dann auf etwas, was ich nie zuvor bedacht hätte. Meine besten Eingebungen hatte ich immer um drei Uhr in der Früh. Wenn man dann den einen Handgriff macht, den man sonst nie machen würde… Es versteht sich natürlich, dass davor enorm viel Recherche einfließt. Dieser letzte Klick kommt dann intuitiv.

Wie veranschaulichst du dann deine Ideen?

Ich habe früher sehr exakt gezeichnet und habe alles bis ins letzte Detail geplant. Ich weiß aber mittlerweile, dass ich mir sehr leicht alles im Kopf vorstellen kann. Ich plane meistens die Schnitte im Kopf und designe sie dann digital weiter. Da hat jeder einen anderen Zugang.

Wenn man sich die Designs von PUBLISHED BY ansieht kann man nicht sagen, sie folgen einem bestimmten Trend. Der Aufbau vom Label selbst ist auch untypisch im Vergleich zu vielen anderen Modehäusern die alle paar Monate eine neue Kollektion veröffentlichen. Wie vereint sich dieses Konzept mit der heutigen Modeindustrie, die ja wahnsinnig schnelllebig ist?

Wir produzieren ja fast nur Accessoires. Da ist das tatsächlich ein bisschen anders. Diese Stücke sind langlebiger als andere Modeartikel. Zusätzlich haben wir das Konzept so umgesetzt, dass wir die Möglichkeit haben, unsere Designs mit neuen Oberflächen zu reproduzieren. Tatsächlich planen wir 30 verschiedene Produkte in der Saison, von denen nur Eines herausgebracht wird.

Wie wird die Entscheidung für ein Design getroffen?

Also ich selbst entscheide das nicht mehr! Ich kann das nicht, da es wie meine eigenen Kinder sind. Ich entwerfe ganz viele Varianten und dann wird diskutiert… Es geht dann um Kosteneffizienz, ob es der Markt verträgt, ob es eventuell zu „crazy” ist und um praktische Funktionen, dass ein Handy reinpassen muss zum Beispiel. Welches Design dann im Endeffekt ausgewählt wird, ist mir im Prinzip „wurscht“. Ich gewinne ja sowieso! Ich habe ja alle 30 gemacht!

Und wie sieht es mit der Entscheidung für eine Ästhetik aus? Denkt ihr euch, was Leuten am meisten gefallen könnte?

Wir denken nicht viel ehrlich gesagt. Meine Überlegung am Anfang war, dass das schon irgendjemandem gefallen würde. Also ich denk mir immer, es gibt für jedes Angebot einen Abnehmer. Es wäre natürlich gut, wenn es bei uns ein bisschen mehr wären, aber unsere Initialüberlegung war, dass wir etwas machen können, das extrem Ästhetisch aussieht. Welche Tasche gibt es noch nicht und warum.

Wir waren dann bei 50 verschiedenen Produzenten bis es geklappt hat. Es ist extrem spannend, weil du ja überlegen musst, wie das Ding in der Masse funktioniert. Einmal ein Kunstwerk erschaffen geht immer, aber es tausend Mal machen ist eine ganz andere „Story“. Das ist super interessant. Im Grunde ist es, wie wenn du einen Stein siebentausend Mal schleifen lässt und irgendwann kommt etwas raus – es erinnert dann noch an einen Stein, aber er wirkt halt doch geschliffen. So ist das auch bei der Industrialisierung – du schleifst so lange, bis es funktioniert.

So ein Label lässt sich ja nicht komplett alleine aufbauen. Wie hast du dein Team zusammengestellt?

Am Anfang rudert man natürlich eher, bis man sich dann denkt: „Scheiße, ich brauche jemanden, der mitrudert!“. Ich hatte am Anfang gar nicht das perfekte Team. Jetzt sieht es ganz anders aus. Das Team besteht mittlerweile aus Leuten, wo das Ganze einfach läuft. Die haben den gleichen „Vibe“ und den Biss. Meine Freundin – die Ruby – ist ganz ausschlaggebend! Mit ihr mache ich das Ganze gemeinsam. Sie kümmert sich um das geschäftliche und ich übernehme den Kreativ-Teil. Sie hat auch die anderen Mitarbeiter angestellt. Also eigentlich habe ich eine Person gefunden und die Person dann alle anderen (lacht).

Kreativ lasse ich mich oft einfach von Menschen beraten, die ich sehr schätze und gerne habe. Eine gute Freundin von mir, die bei “Vivienne Westwood” Designerin ist, zum Beispiel. Mit ihr quatsche ich zwei oder drei Mal die Woche. Ich frage ihre Meinung zu allem Möglichen.

Modedesigner Alexander McQueen hat auf die Frage, ob er einen Tipp für Menschen hat, die sich als Modedesigner behaupten wollen, gesagt: “Have a complete understanding that you are good at it before you’re trying, otherwise don’t bother because it’s not worth the pain.”. Gibst du ihm Recht?

(lacht) Es kommt natürlich darauf an, was dich motiviert als Mensch. Es gibt Menschen wie ich zum Beispiel, die, wenn sie abgelehnt werden, erst richtig zeigen wollen, was sie draufhaben. Es gibt auch Menschen, die sich dann zerstören lassen, was sehr schade ist. Die Modebranche ist sehr hart in diesem Sinn. Deshalb finde ich schon, dass es wichtig ist eine Überzeugung von sich zu haben. Ich gebe ihm Recht: Man braucht den gewissen Drive. Besonders, wenn man etwas macht, was keiner versteht.

Du hast an der Universität für Angewandte Kunst studiert. Wie war diese Periode für dich?

Die Angewandte war für mich im Grunde eine geschenkte Zeit. Teilweise fand ich es furchtbar. Ich, von meinem kleinen „Kuh-Dorf“ in Salzburg, habe mich oft fehl am Platz gefühlt. Natürlich hat uns die Mode auf eine Art verbunden, aber nie auf einer tieferen Ebene. Die Stimmung dort fand ich generell immer ein bisschen überzogen. Oft viel zu ernst und tragisch. Auf gut Deutsch habe ich mir paar Mal gedacht: „Scheißt euch nicht an!“. Es war irgendwo trotzdem eine coole Erfahrung. Es gab ein paar tolle Professoren dort, die mich auch wirklich geprägt haben. Man hat durch das Studium auch eine gewisse Daseinsberechtigung, was ganz angenehm ist.

Hast du eine Art Lebensleitsatz, dem du folgst?

Ja. Mit 180 in die Kurve.