„Die sollte man alle nach Hause schicken“ – Die Gedanken eines Geflüchteten

Der kurdische Syrer Agid Taher ist vor knapp acht Jahren als Flüchtling nach Österreich gekommen und betreibt seit 2015 einen sehr gut laufenden Friseursalon in der Nähe des Floridsdorfer Marktes. Ihm gelang genau das, was vielen Geflüchteten nicht gelungen ist: eine Integration in den Arbeitsmarkt und in die soziale Gesellschaft. Warum hat er das geschafft, wovon so viele träumen und wie ist die Meinung eines Geflüchteten über Geflüchtete, die sich in der Kriminalität wiederfinden?

Herr Taher, warum ist es denn genau ein Friseursalon geworden?

Das ist eine gute Frage. Das hat sich eigentlich einfach so ergeben. Wir hatten damals mit Freunden in Traiskirchen (Annahme. Flüchtlingslager) beredet, was wir mit unserem Leben machen wollen und wie wir am schnellsten Geld verdienen können. Und ich hatte bereits einige Freunde, die in Österreich waren und sich als Friseure selbständig gemacht hatten und die empfahlen mir auch diesen Weg zu gehen. Außerdem hatte ich schon ein bisschen Erfahrung mit dem Haare schneiden zu Hause in Damaskus gemacht, deshalb war es dann naheliegend, Friseur zu werden.

Denken Sie, dass es als Ausländer*in einfacher ist sich Selbständig zu machen, anstatt in einer großen österreichischen Firma zu arbeiten?

Ja, auf jeden Fall. Als augenscheinlicher Ausländer ist es sehr schwer, in eine Firma hier in Österreich zu kommen. Das kann ich aus meiner, aber auch aus der Erfahrung meiner Freunde sagen. Zusätzlich kommt dann auch die Sprachbarriere. Man kann von uns nicht erwarten, innerhalb von wenigen Jahren fehlerfreies Deutsch zu sprechen. Das geht nicht, das kann ich bis heute auch nicht – zumindest nicht perfekt – aber das ist leider oft eine Voraussetzung, um in einem Unternehmen arbeiten zu dürfen. Aber ich verstehe das auch zu einem gewissen Teil, deshalb wollte ich ja selbständig werden. Hier bin ich mein eigener Chef und habe mit niemandem Probleme.

Bis Sie sich aber hier in Österreich niederlassen konnten und ihr eigenes Geschäft eröffneten, war es doch ein sehr steiniger Weg. Wie sah denn ihr persönlicher Weg von Damaskus bis zum selbstständigen Friseur in Wien Floridsdorf aus?

Ja, es war tatsächlich kein einfacher Weg hier her zu kommen. Ich bin mit 19 Jahren aus der Nähe von Damaskus im Zuge des syrischen Bürgerkriegs geflohen. Ich habe meine Eltern zurücklassen müssen, weil diese ihre Heimat und ihr Haus nicht einfach so aufgeben wollten. Ich wollte das natürlich auch nicht! Manchmal muss man aber Entscheidungen treffen und meine Eltern waren auch dafür, dass ich Syrien verlassen soll und hier ein neues Leben beginne. Es gab und es gibt noch immer so gut wie keine Zukunft für junge Menschen in Syrien. Daran hat sich in den letzten acht Jahren so gut wie nichts geändert. Gerade für mich als Kurden in Syrien war das Ganze dann noch einmal schwerer. Die Flucht nach Österreich und die Anfangszeit war natürlich alles andere als leicht. Auf der Route von Damaskus nach Wien trifft man auf viele verschieden Menschen, auf viele verschiedene Probleme und auch auf viele verschiedene Grenzen. Als ich dann endlich in Österreich angekommen war, gab es praktisch keine größeren Probleme mehr. Mir wurde in sehr kurzer Zeit ein positiver Asylbescheid ausgestellt, ich habe viele Deutsch- und Kulturkurse besucht und bin mit vielen anderen syrischen Flüchtlingen in Kontakt gekommen, was mir natürlich sehr geholfen hat.

Ihr Friseursalon erfreut sich hoher Beliebtheit in der Gegend. Sie haben viele Stammgäste, die Wirte*innen in der Umgebung kennen und schätzen Sie und Sie plauschen auch gerne mal länger mit den Park-Sherifs vor ihrem Geschäft, damit diese ein Auge zudrücken, wenn der Parkschein einer Ihrer Kunden*innen ausläuft. Sehen Sie sich als ein perfektes Beispiel für Integration?

Die Kurzparkzone vorm Friseursalon. Foto: Erik Kalmar

Ja, das stimmt alles(schmunzelt). Ich sehe mich als sehr gut integriert, aber ich sehe das auch nicht als große Sache. Österreich nahm mich auf als ich Schutz brauchte, dafür bin ich sehr dankbar und ich möchte dem Land und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Es ist nicht so schwer, sich zu integrieren, wenn man arbeiten will, wenn man die Sprache lernen will, wenn man die Kultur lernen will. Man muss nur wollen und Ziele haben, dann geht das ganz einfach und es gibt sehr viele Syrer wie mich, die sich sehr gut integriert haben und ein anständiges Leben führen.

Sie haben gerade gesagt, es sei nicht so schwer sich zu integrieren. Warum glauben Sie gibt es Flüchtlinge, die es dann trotzdem nicht schaffen? 

Es gibt viele Gründe, warum sich Flüchtlinge nicht integrieren können. Manche können nicht, manche wollen nicht. Das ist ein schwieriges Thema. Aber ich verstehe diese Menschen nicht, die hierherkommen als Geflüchtete und dann kein anständiges Leben in Österreich führen, sondern kriminell werden. Es gibt so viele von uns die das schaffen – warum also die nicht auch?

Mögliche Gründe könnten zum Beispiel ein abgelehnter Asylantrag sein oder die mangelnde Zukunftsperspektive am Arbeitsmarkt. Das führt zu Frustration und Aggression und im schlimmsten Fall in die Kriminalität. Glauben Sie nicht, dass Sie auch auf die schiefe Bahn hätten geraten können, wenn Ihnen ihr Asylantrag nicht anerkannt worden wäre und Sie deswegen Ihren Friseursalon nicht hätten eröffnen dürfen?

Natürlich hätte das bei mir genauso sein können, aber ein abgelehnter Asylantrag ist kein Grund, kriminell zu werden. Ich verstehe die Frustration und die Aggressionen der anderen Flüchtlinge. Wir sind hierhergekommen mit dem Traum von einem besseren Leben für uns und unsere Familie und dann ein „Nein“ oder ein „Antrag negativ“ zu bekommen, ist die Hölle. Aber dann muss man das so zur Kenntnis nehmen. Dann wollte Gott nicht, dass es dazu kommt, dass du in Österreich bleibst. Dann musst du es wo anders probieren oder einen anderen Weg suchen. Dennoch ist das alles kein Grund, kriminell zu werden, denn die Flüchtlinge, die dann kriminell werden, – ganz egal, ob Syrer, Afghane oder Iraker – werfen ein schlechtes Bild auf alle von uns und wir müssen dann dieses schlechte Image ausbaden. Und haben dann in der Folge mit unberechtigter Ausländerfeindlichkeit und Anfeindungen zu kämpfen. 

Sie meinen also, dass durch kriminelle Aktionen von Einzelnen eine ganze Ethnie verdächtigt wird?

Ja, absolut. Wenn ein Syrer jemanden umbringt, wird sofort gesagt: “Alle Syrer sind so, wir müssen aufpassen vor denen”. Vor einiger Zeit gab es mal einen Syrer, der in Österreich jemand umgebracht hat und das hast du dann in allen Medien gelesen und gehört. Bei mir im Salon höre ich auch manchmal österreichisches Radio und da haben sie auch oft darüber berichtet. Jetzt sitzt zum Beispiel ein Kunde auf dem Sessel vor mir und hört im Radio, dass ein Syrer einen Österreich mit einem Messer getötet hat und ich habe das Rasiermesser in der Hand und will ihm den Bart rasieren. Das ist keine angenehme Situation für ihn und auch nicht für mich (lacht). Und dann kommen die Kunden zu mir und fragen „Hast du das gehört?“, „Kanntest du ihn?“ und ich antworte freundlich mit “nein”. Aber genau das ist es. Wegen eines kriminellen und idiotischen Syrers sind wir alle dann unter Generalverdacht und alle Medien streichen die Nationalität des Täters immer extra raus. Das verstärkt das Ganze noch einmal extra.

Es gab diese Woche ja einen islamistischen Anschlag eines tschetschenischen Flüchtlings in Paris, bei dem ein Lehrer enthauptet wurde. Hier wurde also wieder auf Flüchtlingsstatus und die Nationalität verwiesen. Finden Sie, dass in diesem Fall hier erneut durch die Medien, zu viel Augenmerk auf die Nationalität des Täters gelegt wird?

Das ist ein schwieriger Fall. Frankreichs Probleme mit Kriminalität und Terror sind nicht mit denen in Österreich zu vergleichen. Dort ist es schlimmer als bei uns, aber ja, was natürlich wieder hängen bleibt ist, dass er ein Flüchtling war und dass er Muslim war. In diesem Fall befinden sich eben alle Tschetschenen unter Generalverdacht. Ich verstehe manchmal nicht, warum die Nationalität eine so große Rolle bei Gewaltanschlägen spielt. Den Anschlag verübt hat ein einzelner Mensch und nicht eine ganze Nation oder eine ganze Ethnie. 

Durch Vorgespräche mit Ihnen weiß ich, dass Sie eine sehr radikale Meinung zum Thema Abschiebung von kriminellen Flüchtlingen haben, aber ist das nicht eigentlich komplett konträr mit Ihrer eigenen Lebensgeschichte?

Quelle: Innenministerium 

Nein, weil ich und ein Großteil der Flüchtlinge wie gesagt sehr gut angepasst sind. Aber es gibt leider viele, die nicht wollen, die nur nach Kriminellem aus sind und Österreich ausnützen. Und genau über diese Leute spreche ich. Über die, die nichts außer Ärger im Sinn haben. Die sollte man rigoros abschieben. Da bringt oft kein Reden und keine Intervention. Diese Menschen hatten ihre Chance hier oder auch nicht, aber kriminell zu werden und sich in Österreich an keine Regeln zu halten geht nicht. Damit schaden sie Österreich und all jenen Flüchtlingen, die sich gut integrieren und dieses schlechte Image dann auch an sich kleben haben. 

Da muss die Regierung einfach hart sein und diese Menschen wieder in ihre Heimatländer schicken. Aber es geht ja nicht unbedingt nur um Flüchtlinge. Vor einigen Monaten gab es in Favoriten zwischen Türken und Kurden Zusammenstöße und Schlägereien wegen irgendwelcher Probleme. Aber ich meine, wo sind wir da? Wir sind in Österreich, mitten in Europa, während Türken und Kurden anfangen, Probleme aus ihren Heimatländern hier auf den Straßen auszutragen. Die sollen alle nach Hause gehen. Die sollte man alle nach Hause schicken. Bei uns Zuhause in Syrien oder in der Türkei würden die sich das nie trauen. Wenn die sich bei uns so benehmen würden, würden sie für den Rest ihres Lebens eingesperrt werden, die würden nie wieder das Tageslicht sehen. Das ist ja das Traurige daran, die Leute flüchten aus ihren Heimatländern, weil dort zu viel Gewalt, Krieg, Korruption und Verfolgung herrscht und dann sind sie hier und können sich nicht benehmen. 

Ich sehe und verstehe, dass das ein sehr emotionales Thema für Sie ist aber Österreich ist nun mal ein Rechtsstaat und muss sich an Gesetze und Recht halten und kann nicht einfach so Menschen des Landes verweisen. Menschen können nur zurück in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, wenn Abkommen mit den Ländern herrschen und die Rückkehrer keine menschenverachtenden Zustände erwartet. Verstehen Sie, dass es in einer Demokratie Dinge gibt, die nicht einfach so zu vollstrecken sind?

Quelle: Innenministerium 

Natürlich weiß ich, dass Österreich eine Demokratie ist und ich bin sehr dankbar dafür. Aber ich glaube, dass in manchen Fällen einfach stärker durchgegriffen werden sollte und wenn es sich mit dem Gesetz überschneidet, dann muss man einen anderen Weg finden. Ich denke aber, dass zu viel Demokratie und vor allem Bürokratie in diesem Fall schadet. Man hat das Problem und man sieht das Problem, aber man kann nichts dagegen machen. Das ist nicht gut so. Der Staat Österreich wird dabei an der Nase herumgeführt und lächerlich gemacht. Im Endeffekt nicht von Flüchtlingen, sondern von sich selber. 

Aber nur durch dieses demokratische Grundsystem war es Ihnen überhaupt möglich, nach Österreich zu kommen und Ihr Leben aufzubauen. Da hatte die Demokratie doch ihre Vorteile?

Die Demokratie ist auch etwas Gutes und ohne diese wäre ich auch nicht in Österreich und könnte jetzt nicht arbeiten. Aber trotzdem denke ich, dass zu viel Demokratie schaden kann, wenn sie sich selber im Weg steht.

Ulf Küch, Chef der Sonderkommision Asyl in Deutschland hat vor zwei Jahren in einem Gespräch gesagt „Echte Flüchtlinge sind weniger kriminell als Einheimische“. Gemeint waren damit vor allem Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan. Bestärkt Sie das in Ihrer Meinung, dass tatsächlich ein Großteil der Menschen einfach nur ein normales Leben in Europa führen möchte?

Ja, es ist so. Ich hatte immer das Gefühl, dass die meisten Menschen, die hierherkommen einfach nur ein normales Leben führen möchten. Gerade Menschen wie ich oder andere Syrer, Afghanen, Iraker, die aus direkten Kriegsgebieten kommen, sind einfach nur Gott dankbar dafür, dass er uns ein besseres Schicksal ermöglicht hat und wir hier in Ruhe unser Leben verbringen können ohne Angst vor Krieg haben zu müssen. Leider gibt es eben diese Ausnahmefälle immer wieder und überall. Egal ob Syrer, Türke oder Afghane, gegen diese Leute muss man etwas machen. Nur so können alle friedlich zusammen miteinander leben.

Welche Veränderungen und Verbesserung würden Sie sich also im Zuge der Integration von Österreichs Seite aus wünschen, damit die Zahl an gut integrierten Flüchtlingen weiter steigt?

Ich würde mir wünschen, dass jene Leute, die wirkliches Interesse daran haben, etwas aus sich zu machen und gerne hier in Österreich sind, noch mehr Integrationsarbeit leisten. Noch mehr Deutschkurse, noch mehr Kulturkurse und bessere Chancen am Arbeitsmarkt. Nur, wenn man die Werte, Kultur und Sprache eines Landes beherrscht, kann eine perfekte Integration gelingen. Da muss viel von der Person kommen aber der Staat muss auch viel dafür machen. Aber ich glaube am Ende lohnt es sich für beide. Menschen, die zunächst faul sind und nicht arbeiten möchten, die kann man anfangs schon versuchen zu motivieren, aber wenn irgendwann gar nichts mehr hilft und sich die Person weigert, die gesellschaftlichen Werte anzunehmen und nicht arbeiten möchte, dann gehören sie meiner Meinung nach abgeschoben.

Wie sehen die Zukunft Österreichs? Glauben Sie, dass trotz eventuell vorhandener Parallelgesellschaften und Integrationsproblemen ein friedsames Zusammenleben in den nächsten Jahren in Österreich möglich sein wird?

Das weiß nur Gott und die Zukunft alleine. Ich hoffe es. Ich bin auch optimistisch, ich war schon immer optimistisch. Ich glaube, dass Österreich ein Vorbild dafür sein könnte, wie man es schafft, viele verschieden Kulturen unter einen Hut zu bringen. Man muss aber aufpassen, dass es nicht zu viel wird und die Kulturen sich gut vermischen und eine friedliche Gesellschaft existiert – und nicht mehrere, sich verachtende Parallelgesellschaften, denn das führt auf kurz oder lang zu großen Problemen, die dann schwer bis gar nicht mehr zu beheben sind.