Ein Leben für das Radio – Ein Portrait über Martina Rupp

Ein Leben für das Radio – Ein Portrait über Martina Rupp

Von Eva E. Zecha

Im August 2021 ist eine der bekanntesten weiblichen Radiostimmen Österreichs in Pension gegangen. Martina Rupp hat populären Sendungen wie dem Ö3-Wecker oder „Guten Morgen am Sonntag“ ihre Stimme verliehen. In der ORF-Informationssendung „Konkret“ hat sie Konsument:innen über aktuelle Themen zu Verbraucherschutz und Zuseher:innen-Fragen aufgeklärt. In diesem Interview erzählt Martina Rupp von ihrer 42-jährigen Tätigkeit beim ORF.

Als 18-Jährige begann Martina Rupp ihre Karriere beim Radio, und wurde sogleich mit der geschlechterstereotypen Arbeitsatmosphäre der frühen Achtzigerjahre konfrontiert. „Ich habe immer ganz klar gesagt, was ich nicht so gut finde und dass sie das bitte ändern sollen.“, „Ich war mit 18 genauso drauf wie jetzt. Genauso feministisch.“, sagt Martina Rupp heute, und dass sie mit ihrer Einstellung damals bei den männlichen Kollegen ordentlich aneckte.

© accelent

„Ich war mit 18 genauso drauf wie jetzt. Genauso feministisch.“

Notorisches Unterbrechen, das Rauchen während Redaktionssitzungen, untergriffige Bemerkungen gegenüber Frauen. Bei den gesellschaftlichen, wie auch den rechtlichen Rahmenbedingungen, hat sich in den vergangenen 40 Jahren, nicht zuletzt durch die beherzten Initiativen von emanzipierten Persönlichkeiten wie Johanna Dohnal, oder Gesetzesänderungen wie die Einführung des sogenannten „Pograpsch-Paragrafen“, viel bewegt. Aber auch bei den Fernsehsendern hat ein neues Frauenbild Einzug gehalten, „und das ist durchaus ein Erdbeben, weil früher musstest du 35 Jahre jung, 1,75m groß, 55 Kilo schwer sein. Oder du warst der Typ ‚goschert, aber lustig‘. Nein, das hat sich angepasst.“, so die ehemalige Moderatorin. Dass das optische Erscheinungsbild im Fernsehbereich nach wie vor wichtig ist, sei nicht von der Hand zu weisen, aber Faktoren wie Kompetenz und Erfahrung haben jetzt, vor allem für Frauen, mehr Gewicht bekommen.

Die Anfänge

Ihren Werdegang beim ORF hat Martina Rupp nie bereut. Der Grundstein ihrer Karriere wurde mit der Vertonung eines Hörerbriefes gelegt, den die damals 15-Jährige eingeschickt hatte. Über das Zeilenhonorar freute sie sich seinerzeit gewaltig. Heute sagt die 60-Jährige über dieses Erlebnis: „Radio war für mich tatsächlich das Größte. Das größte Medium, die größte Kunstform, das Spannendste … Dass mir der Einstieg gelungen ist, und dass ich mich halten und weiterentwickeln konnte, hat mich so beglückt in meinem Leben.“

„Ich war die erste Frau in einem DJ-Studio in Österreich, die erste, die CDs gespielt hat.“

Das redaktionelle Handwerk lernte die junge Studentin beim Radiosender Ö3. Dazu gehörten unter anderem das Schneiden auf analogen Bandgeräten, sowie Interviewführung und Sprechtechnik. Das Dreifach-Studium Publizistik, Politikwissenschaft und Pädagogik hängte die engagierte Sprecherin bald darauf an den Nagel, und übernahm die Leitung über die von ihr moderierte Jugendsendung „Zickzack“. ORF-Persönlichkeiten wie Peter Rapp, oder Künstler wie der junge Falco zählten zu ihren beruflichen Wegbegleitern. Martina Rupp erinnert sich: „Am Anfang, als ich bei Ö3 begonnen habe, beim ‚Treffpunkt‘, waren alle ganz jung. Ich habe den Falko interviewt und war natürlich wahnsinnig unsicher, und er war noch viel unsicherer. Alle standen ganz am Anfang.“

Auch auf den Zug der rasanten technologische Entwicklung, der in der Unterhaltungsbranche stattfand, sprang Martina Rupp auf: „Ich war die erste Frau in einem DJ-Studio in Österreich, und die erste, die CDs gespielt hat.“

Rückblick und Ausblick

Die letzten sieben Jahre moderierte Frau Rupp sonntags den ‚Ö3-Wecker‘. Wo andere sich darauf freuen, gemütlich ausschlafen zu können, begann der Tag für die Moderatorin bereits um 3:30 Uhr. Dazu sagt die nunmehrige Pensionistin: “In meinem Alter ist das eigentlich furchtbar. Trotzdem habe ich mich dabei ertappt, wie ich dort stehe, einen Mix mache und mir denke: Es war so auf den Punkt genau, und so richtig. Das ist es, das ist mein Job! … Mich hat es wahnsinnig glücklich gemacht. Ich würde es jederzeit genauso wieder machen.“

„Mich hat es wahnsinnig glücklich gemacht.

Ich würde es jederzeit genauso wieder machen.“

Über die Zukunft des Radios macht sich die langjährige Medienschaffende keine Sorgen. Schon vor 40 Jahren, mit dem Aufkommen der ersten Musikvideos und MTV wurde der Abgesang auf das Radio gestartet. Warum es nach wie vor das Radio braucht, erklärt Martina Rupp folgendermaßen: „Unsere Hörer brauchen verlässliche Begleiter in den Tag. Brauchen Menschen, die sich mit aktuellen Ereignissen beschäftigen, diese einordnen und kommentieren. Die wenigsten Leute kommen dazu, sich Pressekonferenzen anzuhören und alle Kommentare dazu durchzulesen. Die Hörer brauchen Hintergrundinformationen. Und in der Rushhour beim nach Hause fahren erzählt man, wie sich das Thema, das wir im Wecker angeschnitten haben, untertags entwickelt hat.“

Für ihre persönliche Zukunft nach dem Radio bleibt Martina Rupp dem auditiven Medium erst einmal erhalten, denn sie spricht aktuell für eine Informations-Kampagne über Gürtelrose Podcasts ein, die online für jedermann und jederfrau abrufbar sind. Dieses Thema ist für die ehemalige Moderatorin eine Herzensangelegenheit, da sie selbst daran erkrankt ist und bei der Zielgruppe der über 50-Jährigen ein Bewusstsein für diese Krankheit schaffen möchte. Darüber hinaus, genießt Frau Rupp nun nach Herzenslust ihre viele Freizeit. Martina Rupp zu ihren Plänen: „Es gibt noch ein tolles Projekt, vielleicht mache ich das doch. Aber nur mehr das, was ich wirklich kann und mag.“


Mehr Informationen unter:

https://guertelrose-info.at/podcast-mit-martina-rupp/

https://der.orf.at/unternehmen/who-is-who/tv/rupp100.html

Das Interessanteste ist der Mensch dahinter

Das Interessanteste ist der Mensch dahinter

Astrid Koreska ist Moderatiorin beim privaten Radiosender Radio Arabella. Bei uns durfte sie einmal den Platz tauschen und hat einmal nicht selbst das Mikro in der Hand, sondern wird von uns interviewt. Dabei verrrät sie uns wie man beim Radio Moderator:in werden kann, was ihr für Missgeschicke im Sender passiert sind und wie ihr perfektes Wochenende aussieht.

Astrid Koreska beim moderieren ©Astrid Koreska

„Da muss man eine dicke Haut haben“

Seit 23 Jahren frühstückt Claudia Stöckl live im Radio mit Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft, Society oder Politik. Niki Lauda war genauso Gast wie Barbara Schöneberger, Conchita Wurst oder Herbert Kickl. Stöckl spricht über Tricks bei der Vorbereitung auf ein Interview, warum es von Vorteil ist schon länger im Geschäft zu sein und über Anfeindungen aufgrund kontroverser Gäste.

Ihre Sendung „Frühstück bei mir“ läuft bereits seit 1997 jeden Sonntag auf Ö3. Wie frühstückt es sich nach so vielen Jahren?

Noch immer mit sehr viel Begeisterung. Es ist einfach großartig Woche für Woche die Welten von Menschen kennenzulernen, sie zu hinterfragen und dann nach sehr viel Recherche den Hörern präsentieren zu dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass das Gesagte umso spannender wird, desto mehr man über eine Person weiß. Denn die guten Geschichten kommen nicht sofort. Deshalb versuche ich neue Perspektiven einzunehmen und heikle Punkte zu finden, wo dann Emotionen hochkommen.

Wie recherchieren Sie, um diese „heiklen Punkte“ zu finden? Was ist Ihr Trick?

Ich versuche immer im Vorfeld Gespräche mit Leuten zu führen, die meinen Gast gutkennen. Das kann die Partnerin oder der Partner sein, die Mutter oder der beste Freund. Vor einigen Wochen zum Beispiel hatte ich den Manager von Dominic Thiem, Herwig Straka, zu Gast. Thiem gewann nur wenig Tage zuvor seinen ersten Grand-Slam-Titel. Das war ein historisches Ereignis. Also rief ich Strakas besten Freund an, der seine Entwicklung seit Jugendtagen beurteilen kann. Das war ein herrliches Gespräch.

Wo sind für Sie die interessantesten Momente während eines Interviews?

Die spannenden Momente finden sich oft zwischen den Zeilen des Gesagten. Die Stimme transportiert so viel: Die Pausen, das Lachen, das Zaghafte. Manchmal bricht eine Stimme weg und ich merke, da sagt jemand vielleicht nicht ganz die Wahrheit. Das muss ich als Interviewerin natürlich mitdenken.

Ging ein Interview auch schon einmal komplett schief?

Fehler und Hopplas gibt es natürlich. Die sind aber meistens technischer Natur. Vor einigen Jahren gab es eine Episode mit Niki Lauda, den ich im Hotel Imperial zum Frühstück traf. Wir saßen also zusammen und die Aufnahme lief. Jedoch durch eine unabsichtliche Bewegung meines Beines, zog ich das Kabel aus der Steckdose heraus und die Aufnahme brach ab. Als ich das merkte erstarrte ich und mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Leider speicherte das damalige Gerät auch die ganze vorherige Stunde Gespräch nicht. Lauda merkte, dass ich nervös geworden war und ich gestand ihm das Missgeschick. Gottseidank willigte er ein, mich am nächsten Tag noch einmal zu treffen. Aber so ein Interview, das muss ich auch sagen, wird beim zweiten Mal nie so gut. Er wusste nun die Fragen und so manches erzählt man beim ersten Mal anders, gerade wenn eine überraschende Zwischenfrage kommt. Lauda war dann vorbereitet auf mich.

Durch die vielen Jahre, die Sie im Geschäft sind, kennen Sie einige Gäste nun auch persönlich. Kann das von Vorteil sein?

Manchmal ist es von Vorteil ja, gerade in dieser Branche. Ich habe 1992 begonnen als Society Reporterin für „Ö3 dabei“ und war jeden Abend bei Theaterpremieren oder Konzerten. Allein den Opernball habe ich 14 Mal als Reporterin besucht. Ich begleitete viele Menschen über Jahre hinweg. Vor mittlerweile elf Jahren etwa sagte Roland Düringer zu mir: „„Hauptsache man steigt aufs Gas und wer bremst verliert“. Nun fünf Jahre später schrieb er mir: „besser ein bisschen zu langsam als viel zu schnell.“ Ich bekam die Wandlung dieses Menschen mit, der am Anfang ein Benzinbruder war, der die Stadthalle füllte und nun ist er in seinen Wohnwagen gezogen, hat sich komplett verändert, all seine Autos verkauft und ist öko-mäßig unterwegs.

Ist es auch von Vorteil den Gast sympathisch finden?

Das finde ich gar nicht. Sympathie ist für mich keine Kategorie. Selbst wenn ich Politiker interviewe, die überhaupt nicht meiner politischen Überzeugung entsprechen, dann ist das schon ein Gebot, vor allem bei einem öffentlich-rechtlichenSender, dem neutral zu begegnen.

Sympathie ist bei Politiker*innen demnach keine Kategorie. Wie schaut es mir Distanz aus?

Distanz ist sehr wichtig, das stimmt. Das erwartet der Hörer auch. Da geht’s auch weniger um diese emotionalen Dinge sondern mehr darum auch die Widersprüche der politischen Entscheidungen aufzuzeigen. Aber natürlich, bei einem Interview mit einem Politiker, kann man nicht gewinnen, weil der Hörer natürlich eine eigene Position zu dem Politiker, zu der Partei hat und sich auch seine Meinung gemacht.

Große Aufmerksamkeit erzeugte Ihr Interview mit dem damaligen Innenminister Herbert Kickl. Viele haben sich gefragt, ob ein Interview im Format von „Frühstück bei mir“ mit jemanden wie ihm passend ist.

Das ist finde ich eine interessante Auffassung. Warum soll das nicht passend sein? Ich hatte Politiker aller Couleurs bei mir zu Gast. Es ist ja das schöne, dass ich die Freiheit habe nicht nur politische Fragen zu stellen, sondern auch über den Umgang mit Kritik, über Ehe oder Erziehung. Herbert Kickl hat als Minister über Wochen und Monate für großen Diskussionsstoff gesorgt. Deswegen war es sehr spannend ihn zuinterviewen. Aber wir wissen in Zeiten von sozialen Medien, was das für einen Rattenschwanz an Reaktionen mit sich zieht. Gerade beim Kickl-Interview war es tough, was sich da abspielte.

Auch kontroverse Personen wie Herbert Kickl waren bei Claudia Stöckl zu Gast. © Martin Krachler/Hitradio Ö3

Was genau hat sich da abgespielt?

Es ging sehr in die Richtung persönlicher Anfeindungen und Hasspostings. Ich bin danicht die einzige. Damit haben viele Kolleginnen, gerade jene die Polit-Interviews machen, zu kämpfen wie Susanne Schnabl (Anmerkung: Moderatorin des ORF-Innenpolitik-Magazins Report). So eine Sendung muss schon gut überlegt sein. Will ich eine Sendung, die in so einem Ausmaß auch negative Emotionen gegen meine Person provoziert? Will ich sowas durchtragen? Da muss man eine dicke Haut haben.

War es ihre Entscheidung Herbert Kickl einzuladen?

Ich bestimme die Gäste nicht selbst. Das ist das Resultat einer Redaktionskonferenz mit unserem Ö3-Chef Georg Spatt, der die Strategie und die Linie vorgibt. Er ist derjenige, der sich die überlegt, wie der Sender positioniert wird. Ich schlage viele Gäste vor, viele andere aus der Redaktion bringen auch Namen, die in der Sitzung diskutiert werden. So werden dann auch die Gäste ausgewählt.

Gibt es jemanden, den sie gerne eingeladen hätten, aber durften nicht?

Das sind bei jeder Sitzung so viele. Also ich bin sicher in meinem Denken so, dass ich gerne „alte, weiße Männer“ einlade (lacht). Beispielsweise war neulich Claus Peymann wieder in Wien (Anmerkung: früherer Direktor des Burgtheaters). Er ist ein wahnsinnig gescheiter Mann und für mich ist das natürlich toll, wenn jemand so gut formuliert und Geschichten lebendig erzählen kann. Das sind mir die liebsten Gäste. Aber er ist leider nicht durchgegangen, weil wir mit Ö3 lieber ein junges Publikum ansprechen möchten.

Wen würden Sie in Zukunft noch gerne in die Sendung bekommen?

Dominic Thiem zum Beispiel. Aber das ist schwierig weil die Eltern alles mitentscheiden und sehr vorsichtig sind. Gerade bei Thiem, der gerade ein Weltstar wird, wird jeder Satz auf Waagschale geworden.

“Ich habe keine Erbpacht auf diesen Job.”- Armin Wolf über Komfortzonen, Twitter und fehlende Diversität in den Redaktionen.

Armin Wolf und Twitter gehören zusammen. Der ZiB2-Anchorman besitzt wohl den relevantesten Account im österreichischem Twitter-Universum und verbringt jeden Tag mehrere Stunden auf der Plattform. Im Twitter-Chat mit dasinterview.at erzählt Wolf, wie lange er sich auf das Interview mit Vladimir Putin vorbereitet hat, wo sein Smartphone ausnahmsweise keinen Platz hat und welchen Tweet er besonders bereut hat.

Armin Wolf steht am Tresen. Foto Karl Michalski
Foto: Karl Michalski

Lieber Herr Wolf, unser Gespräch findet heute auf Twitter statt, wo Sie jeden Tag sehr viel Zeit verbringen. Ein Interview auf diesem Weg ist dann aber doch ungewöhnlich, haben Sie so etwas schon einmal gemacht?

Armin Wolf: Ja, einmal. Ist aber einige Jahre her.

Wissen Sie noch, worüber das damals war?

Armin Wolf: Ich glaube, über Journalismus und Social Media, aber ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinnern.

Das Besondere an diesem Interview-Format ist, dass es nebenbei und komplett ortsunabhängig durchführbar ist. Wo befinden Sie sich denn im Moment?


Armin Wolf: Zuhause. Es ist Samstag Nachmittag. 😉

Wenn ich mit Ihnen hier und heute dieses Interview führe, dann geh ich dabei raus aus meiner Komfortzone. Unter diesem Überthema findet auch unsere Interview-Reihe statt. Was bedeutet denn für Sie „Raus aus der Komfortzone“?

Armin Wolf: Das bedeutet, etwas zu tun, von dem ich nicht weiß, ob ich es kann – oder gar: Dass ich es wahrscheinlich nicht kann. Aber warum ist das hier außerhalb Ihrer Komfortzone? Wir schreiben einfach DMs auf Twitter. Was kann da schief gehen?

Gibt es da ein Beispiel? Naja, es ist für mich das erste Mal, dass ich eine Person mit so einem hohen Bekanntheitsgrad interviewe. Schief gehen kann immer etwas, oder? 😉

Armin Wolf: Ich meinte mit „schief gehen“ eher, dass man sich blamiert. Ok, Sie könnten natürlich besonders absurde Fragen stellen oder null vorbereitet sein.

Aber wann waren Sie denn zuletzt außerhalb Ihrer Komfortzone? Das würde mich eigentlich interessieren.

Armin Wolf: Beruflich: Als ich Wladimir Putin interviewt habe. Privat: Immer wenn ich was Handwerkliches machen muss. Oder als ich für meine Frau mal einen Guglhupf gebacken habe. Ich kann nämlich NULL kochen.

Wie lang haben Sie Sich denn für das Interview mit Wladimir Putin vorbereitet?

Armin Wolf: Fünf Tage lang, ca. 12-14 Stunden jeden Tag.

Wie viel der Informationen haben Sie dann im Endeffekt beim Interview benötigt?

Armin Wolf: Einen Bruchteil natürlich. Aber Putin liebt es, Interviewer*innen bloßzustellen, u.a. durch sehr spezielle Gegenfragen. Und da wollte ich mir keine unnötige Blöße geben.

Würden Sie sagen, dass diese intensive Vorbereitung auch dazu da ist, dass Sie beim Interview nicht die Kontrolle verlieren? Fürchten Sie Sich davor, die Kontrolle zu verlieren?

Armin Wolf: Die intensive Vorbereitung ist v.a. dazu da, zu bemerken, wann man angelogen wird oder nur einen sehr selektiven Teil der Wahrheit hört oder vorbereitete – oft gut klingende – Talking Points, die man nicht „on the spot“ überprüfen könnte.

Ich würde im Leben grundsätzlich eher ungern die Kontrolle verlieren, bei meiner Arbeit ist das aber am unwahrscheinlichsten, vermute ich.

Nachdem wir dieses Interview ja auf Twitter führen, möchte ich jetzt gern ein wenig auf Ihren Twitter-Konsum eingehen. In einem Podcast mit dem Standard-Journalisten Andreas Sator haben Sie erzählt, dass Sie Ihren Twitter-Feed jeden Tag quasi komplett durchlesen. Ich möchte Sie heute einmal nicht fragen, wieviel Zeit sie auf Twitter verbringen, sondern die Frage umgekehrt stellen. Wieviel Zeit verbringen Sie komplett ohne Twitter?

Armin Wolf: Die Nacht. Also, von dem Moment, in dem ich ins Bett gehe bis ich aufgestanden bin. Keine Geräte im Schlafzimmer (außer meinem Kindle). Und wenn ich mit jemandem verabredet bin. Ich finde es irritierend, wenn Menschen in Zweier-Gesprächen ihr Handy checken, außer sie müssen schnell was für‘s Gespräch nachschauen oder erwarten eine sehr dringende Nachricht.

Nehmen Sie Ihr Smartphone auch mit auf die Toilette?

Armin Wolf: Ich fürchte, weiter als bis ins Schlafzimmer kommen Sie nicht.

Haben Sie sich je die Frage gestellt, ob Sie von Twitter/Ihrem Smartphone abhängig sind?

Armin Wolf: Wenn morgen Handies abgeschafft würden, hätte ich kein Problem damit. Mein Leben würde entspannter. Wenn Sie mir morgen nur meines wegnehmen, könnte ich nicht mehr arbeiten.

Würden Sie sagen, dass Journalist:innen auf Twitter/Social Media aktiv sein müssen, wenn Sie heutzutage erfolgreich sein wollen? Oder anders gefragt: Kann man als Journalist:in noch Karriere machen, wenn man nicht auf Social Media aktiv ist?

Armin Wolf: Ich glaube, dass Journalist*innen, die tagesaktuell arbeiten, Twitter als Quelle nützen müssen, weil es absurd wäre, einen derart reichhaltigen und v.a. schnellen Info-Kanal nicht zu nützen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf Twitter – oder sonstwo auf Social Media – schreibend aktiv sein MUSS. Es kann aber sehr hilfreich sein, um in der Branche bekannt zu werden oder um Kontakte aufzutun, wenn man es intelligent nützt.

Und klar kann man als Journalist*in Karriere machen, ohne auf Social Media präsent zu sein. Das Wichtigste für Journalist*innen ist es noch immer, spannende Geschichten aufzustellen und zu schreiben. Wenn Sie das hinkriegen, sind Sie für jede Redaktion interessanter als mit einem noch so originellen Twitter-Account (ok, außer Sie bringen 1 Mio. Follower mit).

So erfolgte die Kontaktaufnahme über den Twitter-Chat. Eindeutig sichtbar werden die Vorzüge, die ein Interview über Direktnachrichten bieten kann. Screenshot: Twitter

Was muss denn ein:e junge:r Journalist:in tun, um Ihnen im Gedächtnis zu bleiben?

Armin Wolf: Ein paar mal interessante Dinge posten, die irgendwie in meine Timeline kommen, weil sich jemand darauf bezieht, dem/der ich folge. Und die ich nicht schon woanders her kenne.

Also da ist schon auch sehr viel Glück dabei. Sie finden Twitter als Quelle also sehr nützlich, gleichzeitig sagen Sie aber auch Social Media haben den Diskurs versaut. Was meinen Sie denn damit?

Armin Wolf: Es ist immer und bei allem Glück dabei. 😉 Viele Debatten sind wirklich toxisch. Ich würde Twitter ohne Blockier-Funktion nicht aushalten. Ich habe alleine heute fast 10 Accounts geblockt. Es gibt leider wirklich viele aggressive Dummköpfe.

Wie viele Accounts haben Sie denn insgesamt blockiert? Was muss jemand tun, um von Ihnen blockiert zu werden?

Armin Wolf: Ich habe schon länger nimmer geschaut, vor ein paar Monaten waren es an die 1.500. Damit ich Sie blockiere, müssen Sie mir eine offensiv depperte Mention schreiben, oder rassistisch sein, gegen andere Leute hetzen oder Dumm-Vokabel wie „Gutmenschen“, „grünlinks versifft“ oder „betreutes Denken“ verwenden. Für all das habe ich statistisch zu wenig restliche Lebenserwartung.

In einem Ö1-Beitrag von 2011 haben Sie gesagt, dass Sie es spannend finden, mit Ihren damals 21 Tausend Follower:innen auf Twitter zu kommunizieren. Heute sind es über 450 Tausend Personen, die Ihnen folgen. Wie hat sich die direkte Kommunikation mit Ihren Follower:innen dadurch verändert?

Armin Wolf: Nicht sehr. An manchen Tagen schaffe ich es allerdings nicht mehr, alle zivilisierten Mentions zu beantworten, weil es sich zeitlich nicht ausgeht. Aber ich bemühe mich. Früher habe ich – aus Spaß – öfter mal auch mit Idioten eine Zeit lang rumdiskutiert. Das mache ich heute deutlich seltener. Es sind übrigens ziemlich sicher keine 450.000 „Personen“, die mir folgen. Da ist schon auch viel Twitter-Mist dabei (Bots, Mehrfach-Accounts, tote Accounts…)

Haben Sie schon einmal etwas aus dem Affekt getwittert? Und es dann bereut?

Armin Wolf: Ja, habe ich gelegentlich. Meistens komme ich aber aber innerhalb von 2, 3 Min. drauf und lösche es dann einfach wieder. Einmal habe ich mich sehr spöttisch über eine Moderatorin in einer deutschen Casting-Show ausgelassen, bis ich ein SMS meiner Intendantin bekommen habe, dass die Kollegin auch im ORF moderiert. Das war natürlich etwas dämlich von mir. Ich muss noch dazu sagen: Die Kollegin hat später in einem Interview extrem souverän darauf reagiert. ¹

Also der ORF schaut schon sehr genau, was Sie auf Twitter von sich geben. Es gibt ja auch Social-Media-Richtlinien, an die Sie sich halten sollten, wenn Sie private Social Media Accounts haben. Dort steht grob zusammengefasst, dass Sie eigentlich Ihre politische Meinung nicht öffentlich kundtun dürfen und wenn Sie sich kritisch über Dritte äußern, muss das sachlich begründet werden. Ist dieser Eingriff des Arbeitgebers ins Private Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

Armin Wolf: Die jüngsten Social Media-Richtlinien des ORF sind nach einer langen Diskussion im Haus entstanden, auch mit dem Redakteursrat und Journalist*innen, die auf Social Media recht aktiv sind – und ich finde sie vernünftig. Mir hätte aber auch schon der erste Satz der alten Richtlinien gereicht, der von der BBC geklaut war: „Tu nichts Dummes.“ Mehr Social Media-Guidelines braucht es eigentlich nicht, oder?

Aber ist es nicht legitim, wenn Journalist:innen in den Sozialen Medien Ihre persönliche Meinung kundtun, das machen sie ja in Meinungstexten wie Kommentaren/Kolumnen auch?

Armin Wolf: Ja, aber nicht ORF-Journalist*innen. Wir haben eben keine Kommentare. Ich sage auf Sendung nicht, wen ich wähle, ich sage es auf keiner Podiumsdiskussion, in keinem Interview und nicht auf Twitter. Es passt nicht zu meinem Job.

Meine persönliche Social Media-Richtlinie lautet übrigens: Ich twittere, was ich auch auf einer Podiumsdiskussion oder in einem Interview sagen würde. Auch dabei weiß ich, wo ich arbeite. Aber natürlich ist es ein anderes Setting als im ZiB2-Studio.

Ok, also Sie differenzieren da schon private Medien und den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. 

Armin Wolf: Klar, bei privaten Medien ist es anders. In Österreich oder Deutschland jedenfalls, wo Reporter*innen auch Leitartikel schreiben. Bei der New York Times z.B. ist es wieder anders: Da müssen die Reporter*innen ja auch in der Zeitung völlig neutral sein und die Kommentare schreibt ein eigenes Ressort, das „Editorial Board“, das dafür aber keine Berichte oder Reportagen liefert.

Wäre so etwas auch für österreichische Medien wünschenswert? 

Armin Wolf: Österreichische Redaktionen sind dafür wohl zu klein. Im Zweifel ist mir lieber, es gibt mehr Menschen, die recherchieren, als ihre Meinung in die Zeitung schreiben. Ich glaube, es gibt nicht wirklich eine Unterversorgung an Meinung.

Sie fordern immer wieder mehr Diversität in den Redaktionen. Wäre nicht eine Möglichkeit diese Diversität zu erreichen, wenn männliche, weiße Journalisten, wie Sie und ich welche sind, das Feld räumen würden?

dasinterview.at: Ja, das wäre eine Möglichkeit, aber ich fände es – auch aus durchaus egoistischen Motiven – vernünftiger, es anders zu lösen. Ich bin aber sehr dafür, bei Stellenausschreibungen in journalistischen Jobs nicht nur bei gleicher Qualifikation Frauen oder Migrant*innen zu bevorzugen – oder auch Menschen mit sonstwie diverseren Biografien – sondern sie auch gezielt zu suchen. Und wenn der ORF morgen jemanden hat, der meinen Job besser macht als ich, wird ihn wer anderer machen. Vernünftigerweise. Ich habe keinen Vertrag, in dem steht, dass ich bis in alle Ewigkeit die ZiB2 moderiere.

Also Sie würden auch Platz machen für eine andere Person, die einen anderen persönlichen Hintergrund hat und eine andere Perspektive mit einbringen könnte, wenn der ORF das vorschlagen würde?

Armin Wolf: Wenn der ORF jemanden hat, der die ZiB2 besser moderiert als ich, sollte er den oder die moderieren lassen. Wenn es eine migrantische Frau ist, die nicht von einem Publizistik-Institut kommt – umso besser. Ich habe keine Erbpacht auf diesen Job. Deshalb bemühe ich mich ja auch jeden Tag, ihn so gut zu machen, wie ich kann. Womit wir wieder beim Anfang des Gesprächs – mit der Vorbereitung – wären. 😉

Mich würde eigentlich noch interessieren, warum Sie explizit niemanden von einem Publizistik-Institut wollen, aber nachdem wir eh schon weit über der Zeit sind, würde ich eher zum Ende kommen. Gibt es eine Frage, die Ihnen noch nie gestellt wurde, die Sie aber gern einmal beantworten würden?

Armin Wolf: Ad Publizistik: Weil ich mir diversere Redaktionen wünsche und deshalb Jurist*innen, Physiker*innen, Ökonom*innen, Mathematiker*innen oder Historiker*innen etc. in der Regel interessanter finde. Oder auch Menschen mit ganz anderen Ausbildungen: Bautechniker*innen, Polizist*innen etc. 

Ad noch nie beantwortete Frage: Wenn ich was sagen möchte, was mich keiner fragt, twittere ich es einfach. 😉

Wie fanden Sie dieses Interview(-Format)?

Armin Wolf: Das Interview-Format finde ich angenehm: Man spart sich eine mühsame Autorisierung. Wir müssen max. streiten, wenn Sie was sinnentstellend kürzen, aber nicht über Formulierungen. Und man drückt sich schriftlich – selbst in einem Chat – doch in der Regel präziser aus. Und für Sie ist es großartig: Sie müssen jetzt nicht eineinhalb Stunden Gespräch transkribieren. Also: Perfekt.

Emil Biller, 24.10.2020

¹ Armin Wolf bezieht sich hier auf folgendes Interview: News – Interview mit Doris Golpashin

Weiterführende Links:

Webseite und Blog Armin Wolf 

Armin Wolf bei Andre Hellers Menschenkinder 

Deep-Dive Podcast von Andreas Sator mit Armin Wolf

Coronaberichterstattung – eine kritische Reflexion

Corinna Milborn (u.a. Puls24) und Michael Matzenberger (der Standard) ziehen eine Zwischen-Bilanz nach neun Monaten Pandemie-Berichterstattung.

Corona beherrscht die Berichterstattung – Liveberichte und Pushbenachrichtigungen im Zusammenhang mit der Pandemie und ihren Folgen begleiten uns durch den Alltag. Wie wurde mit dieser außergewöhnlichen Situation bisher umgegangen? Wo gibt es vielleicht Verbesserungsbedarf? Dazu im Gespräch: Corinna Milborn (Infochefin des Privatsenders Puls24, Moderatorin und Autorin) und Michael Matzenberger (Datenjournalist und Chef vom Dienst bei der Tageszeitung Der Standard).

Das Gespräch könnt ihr hier anhören:

Emilia Garbsch, Emil Biller