Seit 23 Jahren frühstückt Claudia Stöckl live im Radio mit Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft, Society oder Politik. Niki Lauda war genauso Gast wie Barbara Schöneberger, Conchita Wurst oder Herbert Kickl. Stöckl spricht über Tricks bei der Vorbereitung auf ein Interview, warum es von Vorteil ist schon länger im Geschäft zu sein und über Anfeindungen aufgrund kontroverser Gäste.
Ihre Sendung „Frühstück bei mir“ läuft bereits seit 1997 jeden Sonntag auf Ö3. Wie frühstückt es sich nach so vielen Jahren?
Noch immer mit sehr viel Begeisterung. Es ist einfach großartig Woche für Woche die Welten von Menschen kennenzulernen, sie zu hinterfragen und dann nach sehr viel Recherche den Hörern präsentieren zu dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass das Gesagte umso spannender wird, desto mehr man über eine Person weiß. Denn die guten Geschichten kommen nicht sofort. Deshalb versuche ich neue Perspektiven einzunehmen und heikle Punkte zu finden, wo dann Emotionen hochkommen.
Wie recherchieren Sie, um diese „heiklen Punkte“ zu finden? Was ist Ihr Trick?
Ich versuche immer im Vorfeld Gespräche mit Leuten zu führen, die meinen Gast gutkennen. Das kann die Partnerin oder der Partner sein, die Mutter oder der beste Freund. Vor einigen Wochen zum Beispiel hatte ich den Manager von Dominic Thiem, Herwig Straka, zu Gast. Thiem gewann nur wenig Tage zuvor seinen ersten Grand-Slam-Titel. Das war ein historisches Ereignis. Also rief ich Strakas besten Freund an, der seine Entwicklung seit Jugendtagen beurteilen kann. Das war ein herrliches Gespräch.
Wo sind für Sie die interessantesten Momente während eines Interviews?
Die spannenden Momente finden sich oft zwischen den Zeilen des Gesagten. Die Stimme transportiert so viel: Die Pausen, das Lachen, das Zaghafte. Manchmal bricht eine Stimme weg und ich merke, da sagt jemand vielleicht nicht ganz die Wahrheit. Das muss ich als Interviewerin natürlich mitdenken.
Ging ein Interview auch schon einmal komplett schief?
Fehler und Hopplas gibt es natürlich. Die sind aber meistens technischer Natur. Vor einigen Jahren gab es eine Episode mit Niki Lauda, den ich im Hotel Imperial zum Frühstück traf. Wir saßen also zusammen und die Aufnahme lief. Jedoch durch eine unabsichtliche Bewegung meines Beines, zog ich das Kabel aus der Steckdose heraus und die Aufnahme brach ab. Als ich das merkte erstarrte ich und mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Leider speicherte das damalige Gerät auch die ganze vorherige Stunde Gespräch nicht. Lauda merkte, dass ich nervös geworden war und ich gestand ihm das Missgeschick. Gottseidank willigte er ein, mich am nächsten Tag noch einmal zu treffen. Aber so ein Interview, das muss ich auch sagen, wird beim zweiten Mal nie so gut. Er wusste nun die Fragen und so manches erzählt man beim ersten Mal anders, gerade wenn eine überraschende Zwischenfrage kommt. Lauda war dann vorbereitet auf mich.
Durch die vielen Jahre, die Sie im Geschäft sind, kennen Sie einige Gäste nun auch persönlich. Kann das von Vorteil sein?
Manchmal ist es von Vorteil ja, gerade in dieser Branche. Ich habe 1992 begonnen als Society Reporterin für „Ö3 dabei“ und war jeden Abend bei Theaterpremieren oder Konzerten. Allein den Opernball habe ich 14 Mal als Reporterin besucht. Ich begleitete viele Menschen über Jahre hinweg. Vor mittlerweile elf Jahren etwa sagte Roland Düringer zu mir: „„Hauptsache man steigt aufs Gas und wer bremst verliert“. Nun fünf Jahre später schrieb er mir: „besser ein bisschen zu langsam als viel zu schnell.“ Ich bekam die Wandlung dieses Menschen mit, der am Anfang ein Benzinbruder war, der die Stadthalle füllte und nun ist er in seinen Wohnwagen gezogen, hat sich komplett verändert, all seine Autos verkauft und ist öko-mäßig unterwegs.
Ist es auch von Vorteil den Gast sympathisch finden?
Das finde ich gar nicht. Sympathie ist für mich keine Kategorie. Selbst wenn ich Politiker interviewe, die überhaupt nicht meiner politischen Überzeugung entsprechen, dann ist das schon ein Gebot, vor allem bei einem öffentlich-rechtlichenSender, dem neutral zu begegnen.
Sympathie ist bei Politiker*innen demnach keine Kategorie. Wie schaut es mir Distanz aus?
Distanz ist sehr wichtig, das stimmt. Das erwartet der Hörer auch. Da geht’s auch weniger um diese emotionalen Dinge sondern mehr darum auch die Widersprüche der politischen Entscheidungen aufzuzeigen. Aber natürlich, bei einem Interview mit einem Politiker, kann man nicht gewinnen, weil der Hörer natürlich eine eigene Position zu dem Politiker, zu der Partei hat und sich auch seine Meinung gemacht.
Große Aufmerksamkeit erzeugte Ihr Interview mit dem damaligen Innenminister Herbert Kickl. Viele haben sich gefragt, ob ein Interview im Format von „Frühstück bei mir“ mit jemanden wie ihm passend ist.
Das ist finde ich eine interessante Auffassung. Warum soll das nicht passend sein? Ich hatte Politiker aller Couleurs bei mir zu Gast. Es ist ja das schöne, dass ich die Freiheit habe nicht nur politische Fragen zu stellen, sondern auch über den Umgang mit Kritik, über Ehe oder Erziehung. Herbert Kickl hat als Minister über Wochen und Monate für großen Diskussionsstoff gesorgt. Deswegen war es sehr spannend ihn zuinterviewen. Aber wir wissen in Zeiten von sozialen Medien, was das für einen Rattenschwanz an Reaktionen mit sich zieht. Gerade beim Kickl-Interview war es tough, was sich da abspielte.
Was genau hat sich da abgespielt?
Es ging sehr in die Richtung persönlicher Anfeindungen und Hasspostings. Ich bin danicht die einzige. Damit haben viele Kolleginnen, gerade jene die Polit-Interviews machen, zu kämpfen wie Susanne Schnabl (Anmerkung: Moderatorin des ORF-Innenpolitik-Magazins Report). So eine Sendung muss schon gut überlegt sein. Will ich eine Sendung, die in so einem Ausmaß auch negative Emotionen gegen meine Person provoziert? Will ich sowas durchtragen? Da muss man eine dicke Haut haben.
War es ihre Entscheidung Herbert Kickl einzuladen?
Ich bestimme die Gäste nicht selbst. Das ist das Resultat einer Redaktionskonferenz mit unserem Ö3-Chef Georg Spatt, der die Strategie und die Linie vorgibt. Er ist derjenige, der sich die überlegt, wie der Sender positioniert wird. Ich schlage viele Gäste vor, viele andere aus der Redaktion bringen auch Namen, die in der Sitzung diskutiert werden. So werden dann auch die Gäste ausgewählt.
Gibt es jemanden, den sie gerne eingeladen hätten, aber durften nicht?
Das sind bei jeder Sitzung so viele. Also ich bin sicher in meinem Denken so, dass ich gerne „alte, weiße Männer“ einlade (lacht). Beispielsweise war neulich Claus Peymann wieder in Wien (Anmerkung: früherer Direktor des Burgtheaters). Er ist ein wahnsinnig gescheiter Mann und für mich ist das natürlich toll, wenn jemand so gut formuliert und Geschichten lebendig erzählen kann. Das sind mir die liebsten Gäste. Aber er ist leider nicht durchgegangen, weil wir mit Ö3 lieber ein junges Publikum ansprechen möchten.
Wen würden Sie in Zukunft noch gerne in die Sendung bekommen?
Dominic Thiem zum Beispiel. Aber das ist schwierig weil die Eltern alles mitentscheiden und sehr vorsichtig sind. Gerade bei Thiem, der gerade ein Weltstar wird, wird jeder Satz auf Waagschale geworden.