„Ob es verboten ist oder nicht, Sexarbeit wird es immer geben.“

Ella* ist Elementarpädagogin. Was in ihrer Arbeit niemand weiß: Sie war auch Sexarbeiterin. Für einen Monat hat sie sich mit Männern getroffen, um mit ihnen Sex für Geld zu haben. Wir haben sie im November 2023 interviewt und mit ihr über ihre Perspektiven gesprochen.

*Ella wollte für dieses Interview anonym bleiben. Ihr Name wurde geändert.

Wie bist du zur Sexarbeit gekommen?

Ich bin ziemlich aktiv auf Instagram und rede dort sehr offen über Sex und Sexualität. Bei einer Fragerunde hat mich mal jemand gefragt, ob ich schon mal überlegt habe, Nacktbilder zu verkaufen. Am Anfang hatte ich keinen Plan davon, wie man das macht. Ein Euro für ein Bild? Oder zehn? Dann habe ich begonnen, mich zu informieren und das ordentlich zu machen. Vor einem Jahr habe ich dann angefangen, mich mit Männern für Geld zu treffen.

Was arbeitest du hauptberuflich?

Ich arbeite als Elementarpädagogin im Kindergarten und bin ausgebildete Sexualpädagogin.

Hat das mal zu Problemen geführt?

Nein, eigentlich nicht. Aber die Angst, dass auf einmal der Papa eines Kindes vor mir steht, war schon da. Ist aber zum Glück nie passiert.

Wie viel hast du verdient?

Ich habe für eine Stunde 100 € verlangt. Es gibt viele, die mehr verlangen, aber auch welche, bei denen es unter 100 € kostet. Ich hätte mehr verlangen können, hätte dann aber länger gebraucht, Kunden zu finden, und so wäre es dann wieder weniger Geld gewesen.

Welche Plattform hast du benutzt?

Ich habe das über die Website Booksusi gemacht. Dort kann man ein Profil erstellen. Für das zahlt man 20–25€ in einem Monat – das hat man schnell wieder drinnen. Auf dem Profil lädt man Bilder hoch und gibt Kategorien wie Größe, Gewicht und Haarfarbe an. Und welche Services man bietet. Da gibt es viel Verschiedenes, wie Blowjob, Fetischkategorien und so weiter. Und die Kunden suchen dann genau nach diesen Kategorien.

Benutzt du Onlyfans?

Habe ich mal probiert, aber sehr schlechte Erfahrungen damit gemacht. Man muss 15 Prozent des Verdiensts abgeben. Das klingt nicht so viel, ist aber sehr viel dafür, dass sie gar nichts für dich machen. Zum Beispiel musst du deine Werbung selbst über eine externe Plattform schalten.

Unter Sexarbeit wird die „gewerbsmäßig und gegen Entgelt erbrachte Handlungen mit Körperkontakt“ definiert. 1974 wurde Sexarbeit in Österreich  in Österreich entkriminalisiert und unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. In den Bundes- und Landesgesetzen wurden dazu genaue Regelungen festgelegt. Sexarbeiter:innen sind beispielsweise dazu verpflichtet, sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten und Infektionen wie HIV und Syphilis zu testen.

Ist Sexarbeit Arbeit?

Ja, da gibt es eh seit langer Zeit die Diskussion. Weil viele meinen Sexarbeit sollte verboten werden. Weil Frauen ausgebeutet werden und aus Zwangssituationen oder einer prekären Situation heraus quasi dazu gezwungen sind. Und weil wir im Patriarchat leben und es viele Männer gibt, die Frauen ausnutzen und übergriffig sind. Ich finde in der Diskussion wird viel zu wenig differenziert. Ich habe meine Ausbildung zur Sexualpädagogin bei der Beratungsstelle Sophie gemacht und dort sehr viel dazugelernt. Ich verwende zum Beispiel bewusst den Begriff Zwangsprostitution nicht. Was mit dem Begriff eigentlich gemeint ist, ist Menschenhandel. Und das ist illegal und sollte es natürlich nicht geben. Das, was freiwillig passiert, ist Sexarbeit. Es ist für viele einfach Lohnarbeit. So wie andere halt Reinigungskraft sind. Und die wenigsten sind gerne Reinigungskraft. Die Wenigsten lieben ihren 40-Stunden-Job. Manche machen eben lieber Sexarbeit, um Geld zu verdienen.

Es gibt Menschen, die Sexarbeit verbieten wollen. Was hältst du davon?

Ob es verboten ist oder nicht, Sexarbeit wird es immer geben. Darum finde ich machen Verbote hier keinen Sinn. Es führt nämlich nicht dazu, dass es nicht passiert, sondern nur dazu, dass die Arbeit nicht geschützt ist. Es gibt dann keine Regelungen und keine Rechte für die Sexarbeiter:innen. Es soll eher an sicheren Bedingungen gearbeitet werden und offener darüber gesprochen werden. Und Betroffene sollten, wie immer, miteinbezogen werden.

Was waren Probleme, mit denen du konfrontiert warst?

Auf Booksusi kannst du deine Nummer angeben und deine Arbeitsbedingungen festlegen. Ich habe meine Arbeitszeiten angegeben und dass ich nur über das Profil kontaktiert werden möchte. Das ignorieren aber fast alle. Ich wurde den ganzen Tag über angerufen. Sie versuchen auch oft zu verhandeln. Ich habe angegeben, dass eine Stunde mit Kondom 100 € kostet. Im Endeffekt schreiben sie mir auf WhatsApp; „Eine Stunde ohne Kondom für 50€ okay?” Du hast also viel mit nervigen Typen zu tun und die Arbeit ist sehr zeitintensiv.

Welche Info hättest du gerne früher gehabt?

Es gibt sogenannte „Tastenwichser“. Das sind Typen, die nur mit dir schreiben und wollen, dass du ihnen Bilder schickst. Im Endeffekt wollen die kein Treffen. Sie versuchen nur so viel wie möglich herauszuholen, ohne zu zahlen. Darauf bin ich am Anfang reingefallen, das hätte ich gerne früher gewusst.

Wer war dein jüngster Kunde? Wer dein Ältester?

Der Jüngste war 19 Jahre alt. Ich war sein erstes Mal. Mein ältester Kunde war ein 56-jähriger, erfolgreicher Geschäftsmann.

Außergewöhnlichster Kunde?

Einmal hatte ich einen Kunden, den fand ich sehr spannend. Der war 30 Jahre alt und hatte eine Sexsucht. Der hat seine Arbeit geschwänzt, um zu Sexarbeiterinnen zu gehen. Er war sonst eigentlich kein außergewöhnlicher Typ. Er hat bei einer Menschenrechts-NGO gearbeitet und war eigentlich ziemlich cool.

Lieblingskunde?

Da gibt es zwei, ein Couple, von dem die eine selbst einmal Sexarbeiterin war. Die waren sehr respektvoll zu mir und irgendwie lustig. Er war früher auch Kunde von ihr, und dann sind sie zusammengekommen und jetzt seit 5 Jahren verheiratet. Und einmal habe ich ein bisschen auf einen Kunden gecrusht. Wir haben uns dann einmal noch getroffen, aber daraus ist dann nichts geworden.

Sind alle Kunden so nett?

Mir ist wichtig zu sagen, dass ich aus einer sehr privilegierten Situation erzähle. Ich habe das neben meinem Job gemacht, um mir Geld dazu zu verdienen. Ich war nicht davon abhängig. Das heißt, ich konnte mir die Kunden aussuchen und hatte nur nette, respektvolle Kunden. Andere haben dieses Privileg nicht, und es gibt natürlich viele widerliche Typen. Viele haben auch Migrationsgeschichte, können sich so weniger gut verständigen und sind verstärkt Diskriminierung ausgesetzt.

Welche Grenzen hast du gesetzt?

Ich habe nie meinen richtigen Namen verraten. Meine Bilder sind immer ohne Gesicht. Generell habe ich private Infos, wie meinen Job, für mich behalten. Und ich habe manche Services nicht angeboten. Ich hatte zum Beispiel nie ohne Kondom Sex, auch nicht für mehr Geld. Außerdem habe ich nie Hausbesuche gemacht. Das war mir zu unsicher.

Symbolbild Pixabay

Wo waren die Treffen?

Ich hab übers Wochenende Hotels in Wien gebucht. Da gibt es Hotels, die man online bucht, die keine Rezeption haben, sondern Zimmercodes. Das hat mich unter 100 Euro gekostet. Das hatte ich leicht wieder drinnen. Und es hatte den Vorteil, dass ich die Typen vorher duschen schicken konnte.

Symbolbild Pixabay

Wie viele Stunden hast du gearbeitet?

Übers Wochenende hatte ich maximal sechs Kunden. Also höchstens drei pro Tag, das war mein Limit. Aber die Arbeit ist ja viel mehr als das. Du bekommst durchgehend Anfragen und Anrufe. Du musst aussortieren und dir Treffen ausmachen. Das ist alles in allem sehr zeitintensiv.

Wie hat dein Umfeld reagiert, wenn sie von deinem Nebenjob erfahren haben?

Es gab sicher auch negative Reaktionen, aber ich kann dir jetzt keine explizite nennen. Weil es mir auch egal ist, wenn Leute das nicht gut finden. Ich bin eine sehr offene Person, was das betrifft. Ich glaube, dadurch, dass ich so offen damit umgehe, könnte man mich auch nicht so damit fertig machen.

Hast du deinen Eltern davon erzählt?

Ja, ich habe meiner Mama davon erzählt. Meine Mama ist aber auch sehr offen, was das betrifft. Sie hat selbst eine Ausbildung zur Sexualpädagogin und geht auch immer wieder in Swingerclubs. Die hat damit also kein Problem und weiß auch selbst, wie das so abläuft. Mein Papa weiß nicht Bescheid, aber ich habe ihm das nie bewusst nicht erzählt. Also ich hätte kein Problem damit, wenn er es weiß. Bis jetzt hat es sich nur noch nicht ergeben.

Welches Gefühl verbindest du mit Sexarbeit?

Ich habe die Zeit sehr positiv in Erinnerung. Aber es war immer noch Arbeit für mich. Und es macht schon etwas mit einem. Ich weiß nicht, ob es gesellschaftliche Vorurteile sind oder etwas Persönliches, aber irgendwas macht es mit einem.

Würdest du es noch einmal machen?

Ich verkaufe immer noch Bilder und Videos. Treffen kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Weil es einfach sehr zeitintensiv ist. Das war auch der Grund, wieso ich mit den Treffen wieder aufgehört habe. Ich habe ja schon einen Vollzeitjob.

Was fuckt dich ab, wenn du an Sexarbeit denkst?

Das Unwissen. Die vielen Vorurteile und Stigmata. Und vor allem das Schwarz-Weiß-Denken. Ich finde nicht, dass Sexarbeit feministisch ist, aber auch nicht per se antifeministisch. Es gibt ganz viele verschiedene Arten von Sexarbeit. Da sollte viel mehr differenziert werden.

Das Thema Sexarbeit wird in der Gesellschaft sehr kontrovers diskutiert. Die Debatte reicht von der Anerkennung von Sexarbeit als legitime Erwerbsquelle bis hin zur Argumentation der Ausbeutung von Frauen und der Gefährdung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung. 

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Qualität vor Quantität. Das unterscheidet kleine Nischengeschäfte von großen Handelsketten wie Ikea & Co. Ein Paradebeispiel dafür ist das Eisenwaren- und Haushaltsgerätegeschäft Menning-Balatka. Es ist aber auch eines der vielen traditionsreichen Wiener Geschäfte, das vom sogenannten Geschäftesterben betroffen ist. Hohe Fixkosten und ein sich wandelndes Konsumverhalten lassen Nischen wie diese immer mehr aus dem Stadtbild verschwinden.

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