Livestreaming im Mittelalterstil

Arnulf Zeilner ist nicht dein regulärer Twitch Livestreamer. Auf seinem Kanal dreht sich nämlich alles rund ums Mittelalter. In den Streams des Niederösterreichers erwartet einen Musik, Videospiele, Kochen und vieles mehr! In diesem Interview erfährt man mehr über seine Faszination mit dem Mittelalter und seinen Werdegang auf Twitch.

„Ich würde gerne Musik in Restaurants und Kaffees verbieten“

“Du bist jetzt mein Lehrer, Tigran.”, sagte Herbie Hancock berechtigterweise über einen der bedeutendsten Jazzpianisten unserer Zeit. Der Vater war Rockfan, der Onkel hörte Jazz, Tigran war bereits mit 11 das erste Mal auf einer großen Jazzbühne und schon mit Sieger der Thelonious Monk Jazz Competition. Inspiriert von klassischer Musik, Metal und vor allem armenischer Volksmusik, entführt der inzwischen 34-jährige Pianist den Zuhörer von einem musikalischen Abenteuer ins Nächste und macht dabei nichts Geringeres als zu beweisen, warum Jazz nicht tot ist.

2022 startet er mit neuem Schnurrbart – den will er vorerst behalten – und einem Umzug nach Italien, wie er mir später über Skype erzählt. Wir sprechen über seine Inspirationen, den Wertverlust von Musik und was wir dagegen tun können.

Tigran Hamasyan

Wann man vergangene Interviews von dir liest, bekommt man das Gefühl, dass jeder Besuch in Armenien in dir etwas Neues auslöst. Hattest du in den letzten zwei Jahre die Möglichkeit in der Heimat zu sein?

Nein. Die Pandemie selbst war ein eigenes Phänomen.

Ich habe die meiste Zeit in Los Angeles festgesteckt, bis ich vor zwei Monaten nach Italien gezogen bin. Nichtsdestotrotz ist die armenische Kultur in mir und immer bei mir, egal wo ich wohne. Manchmal ist dieses Verlangen auch stärker, wenn du weit von zu Hause weg bist. Es gibt Momente, in denen würde ich es lieben nach Armenien zu gehen und mich von der Natur, Architektur oder Künstlern inspirieren zu lassen. Diese Energie zurückzubekommen.

Trotz all dem brauche ich auch Stille zum Komponieren oder Üben, sodass ich all diese Emotionen bündeln kann.

Wenn du ein Stück schreibst, passiert zuerst die Komposition und ganz am Ende wird ein Titel hinzugefügt. Also die Musik zeichnet ein Bild, das du dann betitelst und beschreibt nicht eine frühere Vorstellung. Denkst du daran wie dein Umfeld klingt, wenn du an neuen Orten oder der Natur bist?

Ja, überall wo ich mit Jahrtausend alter Kultur in Berührung komme, überlege ich mir wie die Musik hier geklungen hat und wie sie sich verändert hat. Es ist lustig, dass du fragst, aber ich beschäftige mich gerade viel mit Mittelalter, Barock und der Musik aus dem 12. Jahrhundert. Also Musik, die fast 1000 Jahre alt ist. Und da gibt es immer ein Verlangen, sich mit etwas wieder zu verbinden. Ich weiß nicht warum, aber diese Musik inspiriert mich.

Was ist das für eine Musik? Wie klang die Musik in dieser Region vor 500 Jahren? Wie bin ich damit verbunden? Ändert mich das?
Das sind Fragen, die ich mir immer stelle. Es gibt Musik, die ich entdecke, die bei mir bleibt. Wenn dich etwas berührt, das vor 700 Jahren geschrieben wurde, muss man sich fragen, wie das funktioniert. Diese alten Melodien zu erforschen, berührt mich.

Beispiel aus Anthropology – Charlie Parker

Der Vater hörte Rock, der Onkel Jazz. Kannst du dich an den Moment erinnern, als du zur armenischen Volksmusik gefunden hast?

Das war tatsächlich auch wegen meinem Onkel. Er nahm mich einmal zu einer Dinnerparty bei einem seiner Freunde mit. Dort wurde gerade ein paar ECM Label Jazz gehört. Also Künstler wie Jan Garbarek, Keith Jarrett und Ralph Towner. So etwas hatte ich noch nie gehört. Zu der Zeit gab es für mich nur Bebop.

Als wir dann das Album “DIS” gehört haben, ein Duett Album von Jan Garbarek und Ralph Towner, hat es mich erwischt. Was ist das? Es ist schön und improvisiert aber nicht so wie ich es kannte. Natürlich haben auch diese Künstler sich mit Bebop beschäftigt, aber ich hörte kein derartiges musikalisches Vokabular. Stattdessen hatte ich den Eindruck, dass ich in ihrer Improvisation Volksmusikelemente hören konnte. Jan war von norwegischer, bulgarischer und wahrscheinlich auch armenischer Volksmusik inspiriert.

Seitdem betrachte ich improvisierte Musik anders. Diese Nacht hat mir die Tür zur Volksmusik geöffnet. Ich komm aus einer Region mit einer reichen Musikkultur. Damals war ich 13 und seitdem war mein musikalisches Leben verändert.

Ich fand es lustig, als du erzählt hast, dass du keine andere Musik mochtest, als du Bebop gehört hast.

-Tigran lacht- “Habe ich wirklich nicht.”

Das ist eine Erfahrung, die mehrere Menschen beschreiben, vor allem wenn sie Musik in westlichen Hemisphären studieren. Denkst du, dass es ein institutionelles Problem in der Art wie wir Jazz und Popular Musik unterrichten gibt?

Jazz Studies sind etwas sehr Sonderbares. Ich glaube, es gibt zwei Arten von Jazz Musikern.

Es gibt die, die durch Bebop gegangen sind und dadurch ihren Weg gefunden haben und jene, die sofort mit etwas Neuem begonnen haben. Ich respektiere beide dieser Wege.

Meine Erfahrung war Bebop und das hat mich gelehrt, wie ich in Strukturen denke, sie baue und in ihnen improvisiere. 

Ich bin dankbar, dass ich Bebop studiert habe und auch für all die großartigen Lehrer für Komposition und klassische Musik, die ich hatte. Das ist ein großer Teil meiner Arbeit. Jede Schule in jedem Land hat andere Systeme und ich denke nicht, dass es eines gibt, das für jeden passt.

Wir sollten weniger daran denken, welche Dinge uns nicht gezeigt wurden, sondern warum wir uns für manches nicht interessiert haben. Du wirst zu jedem Thema Leute finden, die dir die gesuchte Information geben können.

Ich habe zum Beispiel in Armenien nichts über frühe westliche Musik gelernt über die Musik vor Bach, Renaissance, westliche Polyphony und Notre-Dame Schule. Komponisten wie Pérotin, Léonin oder Machaut.

Das ist eine riesige Inspiration für mich und ich hatte davon nichts gehört, bis ich in Amerika war und bereits acht Jahre klassische Musik studiert hatte.

Es geht also darum, dass Musiker verstehen, was sie wollen und das verfolgen.

Tigran Hamasyan, inspiriert von Herbie Hancock und Meshuggah

Welchen Rat würdest du also jungen Musikern geben, die ihren musikalischen Horizont erweitern wollen?

Ein Rat, den ich meinem damaligen, studierenden Selbst geben würde, ist, sich außerhalb dessen umzusehen, was gerade im Trend ist. Es ist leicht, sich und seine Stimme im Strom zu verlieren, aber vielleicht willst du etwas ganz Neues sagen. Gib darauf acht und versuch Neues zu finden, außer dem, was gerade gemacht wird.

Du sprichst auch darüber, dass Musik ihren Wert verloren hat, weil sie überall ist. Was kann gegen diesen Wertverlust unternommen werden?

Ich weiß es nicht. Musik ist aktuell überall und das ist nicht zu ändern. Ich würde gerne Musik in Restaurants und Kaffees verbieten – warum sollte ich beim Essen Musik hören? 

Besonders die Idee von Hintergrundmusik! Überall läuft Musik im Hintergrund und manchmal wird auch wirklich gute Musik zur Hintergrundmusik und das ist respektlos.

Es prasselt so viel Musik und Information auf dich herunter, dass du manchmal deine Ohren zuhalten musst, um dich zu schützen.

Musik ist überall und manchmal braucht man Stille, um Musik wertzuschätzen.

Hörst du beim Autofahren Musik?

Ich fahre nicht. Also wenn ich im Auto Musik höre, bin ich nicht am Steuer. Ich kann zwar Autofahren, aber hätte Angst davor ein Stück Kunst zu hören und dabei zu lenken.

Ich bin aber meistens am Beifahrersitz, also kann ich darüber nachdenken und zuhören.

Album cover: The Call Within

Man könnte sagen du bist als junges Talent oder Wunderkind aufgewachsen. Die Leute haben schon sehr früh erkannt, dass du ein ganz formidabler Musiker bist. Nun hast du schon eine lange Karriere hinter dir. Wie bist du damit zurechtgekommen nicht mehr das Wunderkind zu sein?

Ich hatte eigentlich nie das Gefühl ein Wunderkind zu sein, da ich in der glücklichen Lage war, einen Guide zu haben. Mein Onkel – derselbe der mir Jazz und Funk gezeigt hat – hat wirklich versucht darauf achtzugeben, dass ich nicht ausgenutzt oder als Wunderkind präsentiert wurde. Dafür bin ich wirklich dankbar, vor allem, wenn ich jetzt junge Talente sehe, die 14 sind, überall spielen und große Medienaufmerksamkeit haben.

Ich begann meine Karriere zwar früh im Alter von elf Jahren, aber niemand kannte mich bis meine Karriere bereits 10 Jahre fortgeschritten war. Ich war die meiste Zeit zuhause und habe geübt und komponiert.

Dann bin ich nach Amerika gezogen und hatte Musik, die ich mit Leuten spielen wollte. Die musste ich finden und mit der Hilfe meiner Familie bezahlen. Also wie eine “normale” Karriere und nicht wie ein Wunderkind, das im Fernsehen zu sehen war und überall präsentiert wurde.

Dafür bin ich dankbar, denn ich könnte jetzt auch nicht hier sein, musikalisch gesprochen.

Improvisation scheint ein großer Teil deiner Arbeit zu sein, deine Alben klingen dann aber sehr strukturiert. Würdest du mich durch deinen Gedankenprozess beim Komponieren führen. Wo hört die Improvisation auf und der klassische Komponist übernimmt?

Ich bin ein Komponist, der auch Klavier spielt und komponiere auch die meiste Zeit am Instrument. Ich denke, dass jede Art von geschriebener Musik das Resultat von Improvisation ist. Selbst wenn der Komponist nur an seinem Tisch sitzt und schreibt, improvisiert er in seinem Kopf.

Die Musik passiert und wird in diesem Moment ins Leben gerufen. Und alle Komponisten suchen die neue Melodie, Harmonie oder Klangerlebnis.

Es ist das, was nach dem improvisieren kommt, was mir am schwersten fällt. Sich zu überlegen was niedergeschrieben wird, welche Welt man erschafft und wie man sie gestaltet. Diese Entscheidungen zu treffen ist für mich viel schwerer. So ist nicht jede meiner Kompositionen, manche gehen schnell und leicht von der Hand, aber meistens ist es so. Ich mühe mich immer etwas ab, aber auf eine gute Art.

Vardavar Pattern

In manchen deiner Stücke, wie zum Beispiel Vardavar, werden relativ gängige Strukturen wie zum Beispiel zwei 4/4tel Takte in diese wirklich ausgefuchsten sechzehntel Gruppen aufgeteilt. Wie nimmst du solche rhythmisch anspruchsvollen Passagen beim Komponieren wahr?

Das kommt auf die Stelle an. Manchmal fühle ich die Gruppierungen und manchmal den geraden Takt. Wenn ich zum Beispiel über die zwei Takte bei Vardavar improvisiere, spür ich lieber die Gruppierungen, das fällt mir leichter. Manchmal brauche ich aber den 4/4tel Takt.

Was das Komponieren anbelangt passiert das alles im Nachhinein. Ich schreibe ein Stück und dann analysiere ich, was ich eigentlich gerade geschaffen habe. 

2020 hast du dein letztes Album “The Call Within” veröffentlicht. Welche neuen musikalischen Abenteuer sind denn gerade in Arbeit?

Etwas später diesen Monat (Jänner 2022) kommt ein Remix von einem der Songs von “The Call Within”. Ich habe auch ein gänzlich anderes Projekt in Arbeit, das im April erscheint, aber darüber will ich noch nichts verraten.

Danke, Tigran.

Das Interessanteste ist der Mensch dahinter

Das Interessanteste ist der Mensch dahinter

Astrid Koreska ist Moderatiorin beim privaten Radiosender Radio Arabella. Bei uns durfte sie einmal den Platz tauschen und hat einmal nicht selbst das Mikro in der Hand, sondern wird von uns interviewt. Dabei verrrät sie uns wie man beim Radio Moderator:in werden kann, was ihr für Missgeschicke im Sender passiert sind und wie ihr perfektes Wochenende aussieht.

Astrid Koreska beim moderieren ©Astrid Koreska

“Wenn du reich werden willst, würde ich dir eher empfehlen sexistischen Rap zu machen.”

“Wenn du reich werden willst, würde ich dir eher empfehlen sexistischen Rap zu machen.”

Frauenfeindlich, sexistisch und gewaltverherrlichend – so sind einige Texte erfolgreicher Deutsch Rapper:innen. Frauen werden hier oft nur als Objekte dargestellt. Außerdem wird die Deutsch Rap Szene noch immer stark von Männern dominiert.

Darüber haben wir mit der Wiener Rapperin Yasmo gesprochen. Yasmo rappt seit über zehn Jahren über Themen wie Feminismus, Gleichberechtigung und seelische Gesundheit. Im Interview teilt sie ihre Gedanken zu Sexismus im Deutsch Rap.

Ein Interview von Iris Rothmüller
© Kidizin Sane

“Das war das schnellste Bewerbungsgespräch meines Lebens”

Elke Hesse spricht im Interview darüber, wie sich ihre Karriere über Umwege vom Rampenlicht auf der Bühne zur Direktorin des MuTh – dem Konzertsaal der Wiener Sängerknaben entwickelt hat, wie sie ihr Familienleben mit ihrer beruflichen Laufbahn verbunden hat und wie der Bau des jüngsten Konzerthauses in Wien eine neue Form von künstlerischen Protesten hervorgebracht hat.

Frau Hesse, wie war es für Sie mit dem Bau des MuTh beauftragt zu werden? Immerhin war es ja der erste Konzertsaal seit über 100 Jahren, der in Wien gebaut wurde.

Ja, das ist ein interessanter Aspekt. Seit die Baugrube ausgehoben wurde, leite ich das Projekt und das war schon etwas ganz Besonderes. Der Bau des Musikvereins wurde quasi vom Kaiserhaus genehmigt, das Konzerthaus von der Bürgerschaft, kann man sagen und das MuTh von einer Stiftung und einem Mäzen.

MuTh – Konzerthaus der Wiener Sängerknaben. Quelle: muth.at Foto: Helmut Karl Lackner

Aber gab es nicht speziell am Anfang viel Gegenwehr gegen das Projekt?

Ja, es gab viel Streit davor, so wie immer in Wien. Es war sehr lange die Diskussion, wo soll das Ganze gebaut werden? Ursprünglich war geplant, dass das Haus nur für die Wiener Sängerknaben als Probeort und als Ort, wo sie ihre speziellen Projekte wie ihre Kinderopern aufführen, fungieren soll. Es kam hier zu diesem Ort am Wiener Augartenspitz und es gab eine Gruppe, die sich gegen die Bebauung des Wiener Augartens gewehrt hat. Diese Gruppe hat riesige Protestwellen gestartet.

War das der Verein “Freunde des Augartens”?

Genau. Die haben sich quer gestellt, was ich eigentlich auch ganz toll fand, da es ein wahnsinnig kreativer Protest war. Also ein künstlerischer Protest eigentlich und das war schon etwas Besonderes. Das hat eine neue Protest-Kultur an den Tag gebracht oder zumindest einige Mitglieder davon. Die hatten sehr kreative Ideen und irgendwie hat mir das auch sehr gefallen. Andere wiederum waren so hart, dass es überhaupt nicht möglich war, an sie ranzukommen und mit ihnen zu diskutieren. Die waren alle der festen Überzeugung, dass das überhaupt nicht geht. Die Sängerknaben sind sowieso so hoch subventioniert und wieso sollen die jetzt auch noch ein eigenes Haus bekommen. Es waren einfach so viele Falschinformationen unterwegs.

Was kann man sich denn unter kreativen Protestformen bzw. kreativen Protesten vorstellen?

Naja, das war in Form von künstlerischen Interventionen würde ich sagen. Da war zum Beispiel eine Gruppe um eine Bühnenbildnerin und die haben mit ganz tollen Kostümen demonstriert. Sie haben gemeinsam gesungen und ich habe mich eben dazugesellt und habe mitgesungen. So bin ich dann über das Singen in Kontakt mit ihnen gekommen. Anders war es nicht möglich.

Das hört sich jetzt aber nicht so an, als wäre das ein großer Protest gewesen, wenn Sie sich mit den Protestierenden zusammen hinstellen und singen.

Nein nein, das waren schon richtige Proteste. Ich war noch gar nicht in Wien wie das begonnen hat, dass die Idee hier aufgekommen ist. Da habe ich gerade ein Festival in Deutschland geleitet. Aber es haben sich die Leute teilweise an Bäume gekettet und die Baustelle musste zwei Jahre lang rund um die Uhr von einer Securityfirma besetzt werden. Das alleine hat uns beim Bau eine Million Euro gekostet.

Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Sie gefragt wurden, ob Sie das Haus leiten möchten?

Durch einen Zufall. Ich war davor schon im Theater an der Josefstadt künstlerische Betriebsdirektorin  unter Intendant Hans Gratzer und dem kaufmännischen Direktor Alexander Götz. Götz war dann auch im Aufsichtsrat des neu zu bauenden Konzertsaals. Als ich 2005 die Festspiele in Bad Hersfeld vorbereitet habe, und dabei ein frisch geborenes Kind hatte, habe ich von ihm einen Anruf bekommen, ob er mich für die Leitung vorschlagen darf. Ich habe daraufhin nur lächelnd gemeint: „Natürlich darfst du mich vorschlagen!“, so ist das eigentlich relativ schnell gegangen. Das war das schnellste Bewerbungsgespräch meines Lebens. Innerhalb von 10 Minuten hatte ich den Job.

Sie hatten zu der Zeit ein neugeborenes Kind – war das je ein Problem für Sie, das familiäre Leben und die berufliche Laufbahn unter ein Dach zu bringen?

Ich glaube, jeder würde lügen, wenn er sagt, es ist kein Problem. Ich habe das Glück, dass meine Kinder liebende Fremdschläfer waren. Wenn du einen Job hast, wo du am Abend arbeitest, ist das sonst schwierig. Ich bin bei beiden Alleinerzieherin und habe den großen Vorteil eines guten sozialen Systems um mich herum – sprich, meine Eltern, meine Geschwister, meine Freunde. Insofern war es für mich im Nachhinein gesehen – man sieht es dann immer etwas leichter – eigentlich easy. Trotzdem lebt man immer noch im Unterbewusstsein mit diesem Rollenbild, eine Mutter muss immer bei ihren Kindern sein, eine Mutter muss immer zu Hause sein, wenn sie zum Beispiel von der Schule nach Hause kommen. Da hatte ich schon öfters ein schlechtes Gewissen. Aber das tolle war, dass ich das immer mit meinen Kindern besprochen habe, auch wie sie ganz klein waren und eher die mich beruhigt haben.

Sie sind ja ursprünglich auch selber auf der Bühne gestanden. Wann haben Sie für sich beschlossen, anstatt auf der Bühne zu stehen, sozusagen hinter der Bühne die Fäden zu ziehen?    

Elke Hesse, Direktorin des MuTh. Quelle: muth.at Foto: Helmut Karl Lackner

Ich komme aus einer sehr guten bürgerlichen Familie. Ich habe zwei ältere Brüder und das kleine Mädchen war sozusagen der Sonnenschein, da stand schnell fest – die wird künstlerisch ausgebildet neben der Schule. Also bin ich auf die Akademie der Musikhochschule, da gab es auch eine Ballettabteilung – das war im Schloss Schönbrunn. Später bin ich dann über den Tanz zum Schauspiel gekommen. Ich habe am Konservatorium meinen Abschluss gemacht und bin danach nach Deutschland gegangen. Später war ich auch bei einer Kabarettgruppe in Wien. Ich habe mir aber selbst immer zugeschaut beim Spielen und habe gemerkt, ich bin einfach keine Künstlerin. Zu der Zeit ist ein Schauspieler auf mich zugekommen und hat gemeint, dass ich die geborene Produzentin wäre. Ich habe ihm dann geantwortet: „Wenn du das glaubst, dann mache ich das!“, und habe mich quasi von heute auf morgen selbständig gemacht. Ich habe wie eine Art Filmproduktionsfirma im Theaterbereich aufgebaut. Das gab es davor nicht in Wien. Die Leute haben sich geschlagen um mich. Ab diesem Moment, ab dieser Entscheidung, ist dann mein Weg ganz steil nach oben gegangen.

Also haben Sie für sich in Ihrem Leben alles richtig gemacht?

Nein, um Gottes Willen. Ich habe auch viele Dinge, die ich vielleicht hätte anders machen sollen, aber wenn man sich jetzt meinen Lebenslauf im Groben anschaut, war das glaube ich der richtige Weg. Beruflich war es auf jeden Fall der richtige Weg – auf Umwegen. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass das quasi in Wien wahrgenommen wird. Ich bin jetzt auch in den Aufsichtsrat der Staatsoper berufen worden. Das sind alles Dinge wo man sich denkt, super, meine Arbeit hier wird auch wahrgenommen.

Ich glaube 2019 war auch ein besonderer Punkt wo man gemerkt hat, dass Ihre Arbeit wertgeschätzt wurde. Sie haben ja Anfang des Jahres den Ehrentitel Professorin verliehen bekommen.

Ja, das war für mich ein toller Moment, ich habe mich irrsinnig gefreut. Vor allem die Verleihung im MuTh war besonders lustig. Ich habe damals gesagt, dass ich nicht möchte, dass die Verleihung irgendwo in einem Ministerium stattfindet, sondern ich würde die Verleihung wahnsinnig gerne im MuTh machen. An meinem Arbeitsort quasi. Das hat mir sehr gut gefallen, weil ich all meine Freunde ins MuTh einladen konnte. Das ist der einzige Nachteil an meinem Beruf, weil ich so viel am Abend arbeite, dass es schwer ist, Freundschaften zu pflegen. So klassische Einladungen mit Rückeinladungen. Ich werde immer nur eingeladen und kann dann nie zurück einladen. Deshalb habe ich mir gedacht, das ist jetzt die Chance alle, die an meinem Werdegang, -das sind ja auch meine Freunde – einzuladen und es waren auch irrsinnig viele da. Es war einfach ein lustiges Fest und es hat glaub ich auch dem Ministerium damals sehr gut gefallen.

Als abschließende Frage: Haben Sie noch offene Ziele oder Wünsche im Leben, die Sie sich bisher noch nicht erfüllen konnten?

Also ich habe zwar einen Abschluss – ich bin diplomierte Darstellerin, aber ich habe ja auch paar Semester Musikwissenschaft studiert und das wollte ich eigentlich immer abschließen. Vor zwei Jahren habe ich mir gedacht, ich möchte das jetzt auch abschließen, aber es haben mir alle gesagt, dass ich dann wieder vom Anfang beginnen müsste und ich das eigentlich eh schon alles weiß und kenne. Trotzdem glaube ich, dass ich das im Alter dann doch nochmal abschließen werde. Sonst wünsche ich mir eigentlich nur, dass ich im Hirn immer offen bleiben kann, also dass ich nicht krank werde und nicht mehr weiterdenken kann. Das wünsche ich mir eigentlich am allermeisten.

“Riel Talk” mit Lou Asril

Er gilt als einer der heißesten Newcomer*innen der österreichischen Musikszene. Gerade als der erste Lockdown begann, veröffentlichte Lou Asril sein erstes Mini-Album. Darin geht es um Sex, um Männer, aber hauptsächlich um ihn selbst.
So wie auch bei unserem Gespräch.

Weiterführende Links:

Was bedeutet queer ?
https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/queer

Was bedeutet androgyn ?
https://lexikon.stangl.eu/22571/androgynie/

Was bedeutet toxische Männlichkeit ?
https://www.genderiq.de/blog/was-ist-eigentlich-toxic-masculinity

Violinengespräch

Ist Musik eine Sprache?

Die Antwort auf diese zum Nachdenken anregende Frage exploriert das Interview mit Violistin und Violinistin Jacqueline Kopacinski. In diesem besonderen Gespräch soll also nur die Musik sprechen. Im folgenden Videobeitrag beantwortet die Musikerin emotionale Themen ihres Lebens mit ihrem Instrument.

Jacqueline Kopacinski entstammt einer moldawischen Musikerfamilie. Seit 1990 lebt sie in Wien, wo sie an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst ihr Konzertfach-Violinstudium bei Edward Zienkowski und Josef Sivo aufnahm. Sie erweiterte ihr Instrumentalstudium Konzert/Podium Violine bei Klaus Maetzl an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien mit dem Schwerpunkt Kammermusik. Zur Zeit arbeitet sie am Aufbau des Franz Ippisch Projekts mit und ist Teil des Franz-Ippisch- Ensemble.