Abgefuckt heißt nicht nur dieses Interviewmagazin, sondern auch eine Produktion des Burgtheaters. Laetitia Toursarkissian und Edward Lischka spielen darin die Hauptrollen. Vor einer ihrer Aufführungen treffen wir sie zum Interview über ihr Leben in der Schauspielbranche.
Ein freundlicher Blick, Routinehöflichkeit, vielleicht Trinkgeld. Es ist eine flüchtige Begegnung, wenn wir an der Tür das Essen vom Lieferboten entgegen nehmen. Die Erinnerung an das Gesicht verschwimmt hinter dem warmen Geruch der sehnsüchtig erwarteten Mahlzeit. Wir würden es aber ohnehin nicht wiedererkennen. Auf der Straße ist es eines von vielen in einer Masse aus pinken, grünen und orangenen Signalfarben auf elektrifizierten Zweirädern.
Markus weiß bestens über den Job Bescheid. Neben dem Studium war er selbst für mehrere Lieferservice-Anbieter unterwegs und fährt heute noch ab und zu. Radfahren ist für ihn ein Hobby und er engagiert sich ehrenamtlich für andere FahrradbotInnen beim Riders Collective – einer Initiative des ÖGBs, die FahrerInnen über ihre Rechte aufklärt und sich für arbeitgeberunabhängige Solidarität einsetzt. Ihren Standort hat das Riders Collective am Gürtel, genauer gesagt im Roten Bogen an der Josefstädter Straße. Hier treffen wir Markus zum Interview, um endlich ein konkretes Bild von der Industrie zu bekommen, die uns das Essen vor die Haustür liefert.
von Alexander Zauner, 17.11.2023
Bestellst du selbst manchmal bei Lieferdiensten?
Sehr selten, zuletzt als ich krank zu Hause gelegen bin. Die Restaurants geben ca. 30 % der Summe ab und dann kommt ein Fahrer der auch nicht gut bezahlt wird. Da kann man es auch selbst abholen oder direkt beim Restaurant anrufen. So zahlt das Restaurant zumindest keine Abgabe und liefert mit den eigenen Angestellten.
Gibt es sonst Dinge die man beachten kann, wenn man bestellt?
Was Arbeitsbedingungen betrifft, könnte man beispielsweise versuchen auf Dienste zurückzugreifen, die die Rider mit echten Dienstverträgen anstellen. Das wäre in Österreich Lieferando, weil Wolt und Foodora nur freie Dienstnehmer einstellen. Da greifen die Kollektivverträge nicht, es wird nur nach Auftrag bezahlt und du wartest oft stundenlang auf Aufträge. Es geht aber nicht nur um geregelte Stundenlöhne sondern auch um Krankenstand, bezahlten Urlaub und Co. Ich hab mir selbst vor ein paar Jahren während der Arbeit das Schlüsselbein gebrochen und war drei Monate außer Gefecht. Als freier Dienstnehmer hätte das für mich damals bedeutet, dass ich in der Zeit gar kein Geld verdiene.
Die Interessen der Rider werden von der Gewerkschaft vida vertreten. Seit 2020 gibt es einen Kollektivvertrag für FahrradbotInnen. Dieser gilt allerdings nur für Arbeitnehmer mit Dienstvertrag, nicht aber für freie Arbeitnehmer
Ist das Geld ein Grund aus dem manche ohne Dienstvertrag arbeiten wollen?
Es wird immer damit geworben, dass man damit mehr verdient. Wenn man aber die 14 Gehälter vom Kollektivvertrag berücksichtigt, kommen fest Angestellte mit Urlaub auf einen Stundenlohn von ca. 16 €. Das erreichen FahrerInnen bei Wolt oder Foodora mittlerweile kaum mehr, obwohl eben überall damit geworben wird. Man ist ein bisschen flexibler, auszahlen tut es sich aber nicht.
Ist es wegen der Flexibilität ein Job, den du z.B. Studierenden empfehlen würdest?
Teilweise. Es ist halt vorteilhaft, dass man relativ spontan arbeiten kann. Das wird aber auch schwieriger, weil Schichten manchmal schon eine Woche im Vorhinein vergeben werden. Bei Foodora gibt es dann auch noch ein Ranking, wo die oberen FahrerInnen ihre Schichten vor den anderen buchen können. Strafpunkte gibt es beispielsweise wenn man Toilettenpausen macht, das Handy-Signal verliert oder nicht zu Spezialzeiten an Sonn- und Feiertagen arbeitet. Die besten können ihre Schichten schon eine Stunde vorher buchen. Danach gibt es oft gar keine Schichten mehr.
Gibt es das nur bei freien oder auch bei fest angestellten?
Nur bei freien Dienstnehmern. Es wird dadurch erwartet, dass sich alle FahrerInnen trotzdem wie echte Angestellte verhalten, wozu sie gesetzlich eigentlich nicht verpflichtet sind. Strafpunkte nehmen einem dann die Möglichkeit in der nächsten Woche zu arbeiten.
„Wenn die Plattformen von den Arbeitern erwarten, dass sie ihre pinken Jacken und Rucksäcke tragen und sich an alle Regeln halten, sind es meiner Meinung nach keine freien Dienstnehmer.“
Markus
Man sollte ja meinen, dass das vor allem als Nebenjob geeignet ist. Eine Studie des Europäischen Instituts für Wohlfahrtspolitik hat aber ergeben, dass fast ein Drittel der Arbeitnehmer auf das Einkommen aus dieser Arbeit angewiesen sind.
Ich glaube die meisten wollen auch Vollzeit fahren. Viele arbeiten 60 Stunden, sieben Tage die Woche ohne Pause, weil bei den freien Dienstverhältnissen keine Ruhezeiten einzuhalten sind. Mit dem Kollektivvertrag wurde ein Weg eingeschlagen, dass man sagt das die Leute davon leben können, sozial abgesichert sind und am Ende des Monats planen können, wie viel Geld sie verdienen. Dass die Plattformen das umgehen, indem sie nur freie Dienstnehmer einstellen, ist dann sehr ärgerlich.
Fördern Rahmenbedingungen wie das Punktesystem riskante Fahrweisen?
Ja schon, da spielt die Bezahlung pro Bestellung auch eine wichtige Rolle. Wenn du nie weißt, wie viel Geld du am Ende der Stunde machst, versuchst du immer möglichst schnell zu sein. Da zählen rote Ampeln dann nicht mehr so viel. Ich nehme es selbst wahr, dass die Leute unter Stress stehen und Auftrag für Auftrag hinterherhetzen. Es wurden auch die Distanzen von den Bestellungen in den letzten Monaten viel größer, weil der Algorithmus umgestellt wurde. Aus diesen Gründen tunen viele FahrerInnen unerlaubterweise ihre E-Bikes und rechnen durch, wie viel sie liefern müssen, um eine mögliche Strafe wieder reinzuholen.
Ist trotzdem eine Regelung mit Dienstvertrag für Arbeitgeber so unattraktiv, dass sie lieber auf freie Dienstnehmer setzen?
Ich glaube ein echtes Dienstverhältnis hat auch für die Arbeitgeber große Vorteile, weil sie wissen, zu welchen Zeiten die Leute arbeiten. Beispielsweise haben Wolt und Foodora an Schlechtwettertagen teils Schwierigkeiten genug Leute zu finden, die arbeiten wollen. Ich war vor ein paar Tagen als es geschüttet hat, abends noch Wolt fahren. Da gab es Pizzen, die zwei Stunden fertig aber nicht abgeholt waren, weil für das Geld niemand bereit ist bei dem schlechten Wetter zu fahren. Wenn die Leute fest angestellt sind, können die Arbeitgeber besser planen wie viele gebraucht werden und sie wissen, dass die meisten dann auch arbeiten werden.
Wird die Arbeitnehmervertretung bei den Ridern auch angenommen?
Es gibt eigene Communitys in der Rider Szene. Leider gibt es einige Schwierigkeiten, wie Sprachbarrieren, die zu vernetzen, um gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Vor kurzem gab es eine Demo von 200 freien Dienstnehmern vor dem Foodora-Hauptgebäude in Wien, das kümmert Foodora aber leider recht wenig. Deshalb ist es wichtig gemeinsam Aktionen zu planen. Da reicht es wenn die Leute einen Tag nicht online kommen, um Veränderungen zu bewirken.
Ist Vernetzung die Hauptaufgabe des Riders Collective im Roten Bogen?
Ja genau, einfach Leute zu informieren und zu connecten, eine gewisse Community aufzubauen. Die Leute können sich hier während der Arbeit ausruhen, die Toilette benutzen oder einen Kaffee trinken. Alle zu vernetzen ist aber eben schwierig, auch weil die meisten dauernd unterwegs sind. Wenn sie mal Pause haben sind sie nicht immer in der Nähe. Wir versuchen es auch über regelmäßige Events, wie unseren regelmäßigen Stammtisch, damit die Leute wissen, dass sie jederzeit vorbei kommen können. Im Sommer gibt’s das auch mit Grillplatzreservierung auf der Donauinsel. Das wird bei den FahrerInnen gut angenommen und wir kommen regelmäßig zusammen.
Astrid Koreska ist Moderatiorin beim privaten Radiosender Radio Arabella. Bei uns durfte sie einmal den Platz tauschen und hat einmal nicht selbst das Mikro in der Hand, sondern wird von uns interviewt. Dabei verrrät sie uns wie man beim Radio Moderator:in werden kann, was ihr für Missgeschicke im Sender passiert sind und wie ihr perfektes Wochenende aussieht.
Armin Wolf und Twitter gehören zusammen. Der ZiB2-Anchorman besitzt wohl den relevantesten Account im österreichischem Twitter-Universum und verbringt jeden Tag mehrere Stunden auf der Plattform. Im Twitter-Chat mit dasinterview.at erzählt Wolf, wie lange er sich auf das Interview mit Vladimir Putin vorbereitet hat, wo sein Smartphone ausnahmsweise keinen Platz hat und welchen Tweet er besonders bereut hat.
Lieber Herr Wolf, unser Gespräch findet heute auf Twitter statt, wo Sie jeden Tag sehr viel Zeit verbringen. Ein Interview auf diesem Weg ist dann aber doch ungewöhnlich, haben Sie so etwas schon einmal gemacht?
Armin Wolf: Ja, einmal. Ist aber einige Jahre her.
Wissen Sie noch, worüber das damals war?
Armin Wolf: Ich glaube, über Journalismus und Social Media, aber ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinnern.
Das Besondere an diesem Interview-Format ist, dass es nebenbei und komplett ortsunabhängig durchführbar ist. Wo befinden Sie sich denn im Moment?
Armin Wolf: Zuhause. Es ist Samstag Nachmittag. 😉
Wenn ich mit Ihnen hier und heute dieses Interview führe, dann geh ich dabei raus aus meiner Komfortzone. Unter diesem Überthema findet auch unsere Interview-Reihe statt. Was bedeutet denn für Sie „Raus aus der Komfortzone“?
Armin Wolf: Das bedeutet, etwas zu tun, von dem ich nicht weiß, ob ich es kann – oder gar: Dass ich es wahrscheinlich nicht kann. Aber warum ist das hier außerhalb Ihrer Komfortzone? Wir schreiben einfach DMs auf Twitter. Was kann da schief gehen?
Gibt es da ein Beispiel? Naja, es ist für mich das erste Mal, dass ich eine Person mit so einem hohen Bekanntheitsgrad interviewe. Schief gehen kann immer etwas, oder? 😉
Armin Wolf: Ich meinte mit „schief gehen“ eher, dass man sich blamiert. Ok, Sie könnten natürlich besonders absurde Fragen stellen oder null vorbereitet sein.
Aber wann waren Sie denn zuletzt außerhalb Ihrer Komfortzone? Das würde mich eigentlich interessieren.
Armin Wolf: Beruflich: Als ich Wladimir Putin interviewt habe. Privat: Immer wenn ich was Handwerkliches machen muss. Oder als ich für meine Frau mal einen Guglhupf gebacken habe. Ich kann nämlich NULL kochen.
Wie lang haben Sie Sich denn für das Interview mit Wladimir Putin vorbereitet?
Armin Wolf: Fünf Tage lang, ca. 12-14 Stunden jeden Tag.
Wie viel der Informationen haben Sie dann im Endeffekt beim Interview benötigt?
Armin Wolf: Einen Bruchteil natürlich. Aber Putin liebt es, Interviewer*innen bloßzustellen, u.a. durch sehr spezielle Gegenfragen. Und da wollte ich mir keine unnötige Blöße geben.
Würden Sie sagen, dass diese intensive Vorbereitung auch dazu da ist, dass Sie beim Interview nicht die Kontrolle verlieren? Fürchten Sie Sich davor, die Kontrolle zu verlieren?
Armin Wolf: Die intensive Vorbereitung ist v.a. dazu da, zu bemerken, wann man angelogen wird oder nur einen sehr selektiven Teil der Wahrheit hört oder vorbereitete – oft gut klingende – Talking Points, die man nicht „on the spot“ überprüfen könnte.
Ich würde im Leben grundsätzlich eher ungern die Kontrolle verlieren, bei meiner Arbeit ist das aber am unwahrscheinlichsten, vermute ich.
Nachdem wir dieses Interview ja auf Twitter führen, möchte ich jetzt gern ein wenig auf Ihren Twitter-Konsum eingehen. In einem Podcast mit dem Standard-Journalisten Andreas Sator haben Sie erzählt, dass Sie Ihren Twitter-Feed jeden Tag quasi komplett durchlesen. Ich möchte Sie heute einmal nicht fragen, wieviel Zeit sie auf Twitter verbringen, sondern die Frage umgekehrt stellen. Wieviel Zeit verbringen Sie komplett ohne Twitter?
Armin Wolf: Die Nacht. Also, von dem Moment, in dem ich ins Bett gehe bis ich aufgestanden bin. Keine Geräte im Schlafzimmer (außer meinem Kindle). Und wenn ich mit jemandem verabredet bin. Ich finde es irritierend, wenn Menschen in Zweier-Gesprächen ihr Handy checken, außer sie müssen schnell was für‘s Gespräch nachschauen oder erwarten eine sehr dringende Nachricht.
Nehmen Sie Ihr Smartphone auch mit auf die Toilette?
Armin Wolf: Ich fürchte, weiter als bis ins Schlafzimmer kommen Sie nicht.
Haben Sie sich je die Frage gestellt, ob Sie von Twitter/Ihrem Smartphone abhängig sind?
Armin Wolf: Wenn morgen Handies abgeschafft würden, hätte ich kein Problem damit. Mein Leben würde entspannter. Wenn Sie mir morgen nur meines wegnehmen, könnte ich nicht mehr arbeiten.
Würden Sie sagen, dass Journalist:innen auf Twitter/Social Media aktiv sein müssen, wenn Sie heutzutage erfolgreich sein wollen? Oder anders gefragt: Kann man als Journalist:in noch Karriere machen, wenn man nicht auf Social Media aktiv ist?
Armin Wolf: Ich glaube, dass Journalist*innen, die tagesaktuell arbeiten, Twitter als Quelle nützen müssen, weil es absurd wäre, einen derart reichhaltigen und v.a. schnellen Info-Kanal nicht zu nützen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf Twitter – oder sonstwo auf Social Media – schreibend aktiv sein MUSS. Es kann aber sehr hilfreich sein, um in der Branche bekannt zu werden oder um Kontakte aufzutun, wenn man es intelligent nützt.
Und klar kann man als Journalist*in Karriere machen, ohne auf Social Media präsent zu sein. Das Wichtigste für Journalist*innen ist es noch immer, spannende Geschichten aufzustellen und zu schreiben. Wenn Sie das hinkriegen, sind Sie für jede Redaktion interessanter als mit einem noch so originellen Twitter-Account (ok, außer Sie bringen 1 Mio. Follower mit).
Was muss denn ein:e junge:r Journalist:in tun, um Ihnen im Gedächtnis zu bleiben?
Armin Wolf: Ein paar mal interessante Dinge posten, die irgendwie in meine Timeline kommen, weil sich jemand darauf bezieht, dem/der ich folge. Und die ich nicht schon woanders her kenne.
Also da ist schon auch sehr viel Glück dabei. Sie finden Twitter als Quelle also sehr nützlich, gleichzeitig sagen Sie aber auch Social Media haben den Diskurs versaut. Was meinen Sie denn damit?
Armin Wolf: Es ist immer und bei allem Glück dabei. 😉 Viele Debatten sind wirklich toxisch. Ich würde Twitter ohne Blockier-Funktion nicht aushalten. Ich habe alleine heute fast 10 Accounts geblockt. Es gibt leider wirklich viele aggressive Dummköpfe.
Wie viele Accounts haben Sie denn insgesamt blockiert? Was muss jemand tun, um von Ihnen blockiert zu werden?
Armin Wolf: Ich habe schon länger nimmer geschaut, vor ein paar Monaten waren es an die 1.500. Damit ich Sie blockiere, müssen Sie mir eine offensiv depperte Mention schreiben, oder rassistisch sein, gegen andere Leute hetzen oder Dumm-Vokabel wie „Gutmenschen“, „grünlinks versifft“ oder „betreutes Denken“ verwenden. Für all das habe ich statistisch zu wenig restliche Lebenserwartung.
In einem Ö1-Beitrag von 2011 haben Sie gesagt, dass Sie es spannend finden, mit Ihren damals 21 Tausend Follower:innen auf Twitter zu kommunizieren. Heute sind es über 450 Tausend Personen, die Ihnen folgen. Wie hat sich die direkte Kommunikation mit Ihren Follower:innen dadurch verändert?
Armin Wolf: Nicht sehr. An manchen Tagen schaffe ich es allerdings nicht mehr, alle zivilisierten Mentions zu beantworten, weil es sich zeitlich nicht ausgeht. Aber ich bemühe mich. Früher habe ich – aus Spaß – öfter mal auch mit Idioten eine Zeit lang rumdiskutiert. Das mache ich heute deutlich seltener. Es sind übrigens ziemlich sicher keine 450.000 „Personen“, die mir folgen. Da ist schon auch viel Twitter-Mist dabei (Bots, Mehrfach-Accounts, tote Accounts…)
Haben Sie schon einmal etwas aus dem Affekt getwittert? Und es dann bereut?
Armin Wolf: Ja, habe ich gelegentlich. Meistens komme ich aber aber innerhalb von 2, 3 Min. drauf und lösche es dann einfach wieder. Einmal habe ich mich sehr spöttisch über eine Moderatorin in einer deutschen Casting-Show ausgelassen, bis ich ein SMS meiner Intendantin bekommen habe, dass die Kollegin auch im ORF moderiert. Das war natürlich etwas dämlich von mir. Ich muss noch dazu sagen: Die Kollegin hat später in einem Interview extrem souverän darauf reagiert. ¹
Also der ORF schaut schon sehr genau, was Sie auf Twitter von sich geben. Es gibt ja auch Social-Media-Richtlinien, an die Sie sich halten sollten, wenn Sie private Social Media Accounts haben. Dort steht grob zusammengefasst, dass Sie eigentlich Ihre politische Meinung nicht öffentlich kundtun dürfen und wenn Sie sich kritisch über Dritte äußern, muss das sachlich begründet werden. Ist dieser Eingriff des Arbeitgebers ins Private Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?
Armin Wolf: Die jüngsten Social Media-Richtlinien des ORF sind nach einer langen Diskussion im Haus entstanden, auch mit dem Redakteursrat und Journalist*innen, die auf Social Media recht aktiv sind – und ich finde sie vernünftig. Mir hätte aber auch schon der erste Satz der alten Richtlinien gereicht, der von der BBC geklaut war: „Tu nichts Dummes.“ Mehr Social Media-Guidelines braucht es eigentlich nicht, oder?
Aber ist es nicht legitim, wenn Journalist:innen in den Sozialen Medien Ihre persönliche Meinung kundtun, das machen sie ja in Meinungstexten wie Kommentaren/Kolumnen auch?
Armin Wolf: Ja, aber nicht ORF-Journalist*innen. Wir haben eben keine Kommentare. Ich sage auf Sendung nicht, wen ich wähle, ich sage es auf keiner Podiumsdiskussion, in keinem Interview und nicht auf Twitter. Es passt nicht zu meinem Job.
Meine persönliche Social Media-Richtlinie lautet übrigens: Ich twittere, was ich auch auf einer Podiumsdiskussion oder in einem Interview sagen würde. Auch dabei weiß ich, wo ich arbeite. Aber natürlich ist es ein anderes Setting als im ZiB2-Studio.
Ok, also Sie differenzieren da schon private Medien und den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
Armin Wolf: Klar, bei privaten Medien ist es anders. In Österreich oder Deutschland jedenfalls, wo Reporter*innen auch Leitartikel schreiben. Bei der New York Times z.B. ist es wieder anders: Da müssen die Reporter*innen ja auch in der Zeitung völlig neutral sein und die Kommentare schreibt ein eigenes Ressort, das „Editorial Board“, das dafür aber keine Berichte oder Reportagen liefert.
Wäre so etwas auch für österreichische Medien wünschenswert?
Armin Wolf: Österreichische Redaktionen sind dafür wohl zu klein. Im Zweifel ist mir lieber, es gibt mehr Menschen, die recherchieren, als ihre Meinung in die Zeitung schreiben. Ich glaube, es gibt nicht wirklich eine Unterversorgung an Meinung.
Sie fordern immer wieder mehr Diversität in den Redaktionen. Wäre nicht eine Möglichkeit diese Diversität zu erreichen, wenn männliche, weiße Journalisten, wie Sie und ich welche sind, das Feld räumen würden?
dasinterview.at: Ja, das wäre eine Möglichkeit, aber ich fände es – auch aus durchaus egoistischen Motiven – vernünftiger, es anders zu lösen. Ich bin aber sehr dafür, bei Stellenausschreibungen in journalistischen Jobs nicht nur bei gleicher Qualifikation Frauen oder Migrant*innen zu bevorzugen – oder auch Menschen mit sonstwie diverseren Biografien – sondern sie auch gezielt zu suchen. Und wenn der ORF morgen jemanden hat, der meinen Job besser macht als ich, wird ihn wer anderer machen. Vernünftigerweise. Ich habe keinen Vertrag, in dem steht, dass ich bis in alle Ewigkeit die ZiB2 moderiere.
Also Sie würden auch Platz machen für eine andere Person, die einen anderen persönlichen Hintergrund hat und eine andere Perspektive mit einbringen könnte, wenn der ORF das vorschlagen würde?
Armin Wolf: Wenn der ORF jemanden hat, der die ZiB2 besser moderiert als ich, sollte er den oder die moderieren lassen. Wenn es eine migrantische Frau ist, die nicht von einem Publizistik-Institut kommt – umso besser. Ich habe keine Erbpacht auf diesen Job. Deshalb bemühe ich mich ja auch jeden Tag, ihn so gut zu machen, wie ich kann. Womit wir wieder beim Anfang des Gesprächs – mit der Vorbereitung – wären. 😉
Mich würde eigentlich noch interessieren, warum Sie explizit niemanden von einem Publizistik-Institut wollen, aber nachdem wir eh schon weit über der Zeit sind, würde ich eher zum Ende kommen. Gibt es eine Frage, die Ihnen noch nie gestellt wurde, die Sie aber gern einmal beantworten würden?
Armin Wolf: Ad Publizistik: Weil ich mir diversere Redaktionen wünsche und deshalb Jurist*innen, Physiker*innen, Ökonom*innen, Mathematiker*innen oder Historiker*innen etc. in der Regel interessanter finde. Oder auch Menschen mit ganz anderen Ausbildungen: Bautechniker*innen, Polizist*innen etc.
Ad noch nie beantwortete Frage: Wenn ich was sagen möchte, was mich keiner fragt, twittere ich es einfach. 😉
Wie fanden Sie dieses Interview(-Format)?
Armin Wolf: Das Interview-Format finde ich angenehm: Man spart sich eine mühsame Autorisierung. Wir müssen max. streiten, wenn Sie was sinnentstellend kürzen, aber nicht über Formulierungen. Und man drückt sich schriftlich – selbst in einem Chat – doch in der Regel präziser aus. Und für Sie ist es großartig: Sie müssen jetzt nicht eineinhalb Stunden Gespräch transkribieren. Also: Perfekt.
Corinna Milborn (u.a. Puls24) und Michael Matzenberger (der Standard) ziehen eine Zwischen-Bilanz nach neun Monaten Pandemie-Berichterstattung.
Corona beherrscht die Berichterstattung – Liveberichte und Pushbenachrichtigungen im Zusammenhang mit der Pandemie und ihren Folgen begleiten uns durch den Alltag. Wie wurde mit dieser außergewöhnlichen Situation bisher umgegangen? Wo gibt es vielleicht Verbesserungsbedarf? Dazu im Gespräch: Corinna Milborn (Infochefin des Privatsenders Puls24, Moderatorin und Autorin) und Michael Matzenberger (Datenjournalist und Chef vom Dienst bei der Tageszeitung Der Standard).